Ich kenne dich

Leuten aus der Elften zugehängt war, die Kunst als Prüfungsfach gewählt hatten. Normalerweise die, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben hatten oder damit, sich richtig anzuziehen. Trotzdem waren es die besten Bilder. Kreide, Kohle, Bleistift, auf blauem und weißem und grauem Papier. Gläser, mit Eiswürfeln gefüllt und etwas Kohlensäurehaltigem, so gut gezeichnet, dass man es fast sprudeln hören konnte. Auto-Außenspiegel, Fenster, die geschwungene, reflektierende Motorhaube eines Wagens. Glühbirnen, mehr Fenster und die seltsamen länglichen Lichter der Straßenlampen. Ich versank in den Bildern, betrachtete das Glas und das Wasser, das Eis und die Bläschen, bis Shanks das Klassenbuch auf die Pultecke knallte und Ruhe befahl.
    »Diejenigen von euch, die die Nachrichten gesehen haben«, sagte er und hielt das geschlossene Klassenbuch vor seinen Schoß, als würde er gleich eine Strafe verhängen, »beschäftigt sicher das Gerücht, dass die Schule dichtmacht, damit ihr euch alle sicher zu Hause im Bett verkriechen könnt.« Er legte das Klassenbuch weg und begann, auf und ab zu wandern. Seine Haare standen in dicken hellen Büscheln vom Kopf ab – es war eine Spur Rot darin, als wäre er in jungen Jahren ein richtiger Rotschopf gewesen. Rotblond vermutlich.
    »Ich bin hier, um euch zu sagen, dass das nicht passieren wird – es gibt keine Pläne für eine Schließung, und wenn es sie gäbe, bin ich mir sicher, ich würde davon früher erfahren als Terry Best. Der Stadtrat diskutiert zwar über eine Ausgangssperre ab zwanzig Uhr für unter Sechzehnjährige, aber so etwas wird nicht von der Schule beschlossen. Es macht also keinen Sinn, die Unterschriftenliste herumzugeben, während du mir zuhören sollst, Rachel Briggs. Danke. In deine Tasche bis Schulschluss.«
    Die Sache ist die: Shanks war gar nicht so groß. Chloe behauptete immer, die Größe, ein eigener Wagen und das Vorspiel seien alles, was man brauchte von einem Mann – wer mehr erwartete, sei wählerisch, perfektionistisch, und das sei der Grund, warum ich in diesem Jahr von niemandem ein Valentinsgeschenk erwarten durfte außer von Donald. Wieder. Sie hatte gut reden. Carl hatte beide Ohrläppchen durchstochen.
    »Keine Schließung, keine Ausgangssperre, aber trotzdem möchte ich euch bitten – euch selbst, euren Eltern und meinem nikotingeschädigten Herzen zuliebe – , auf euch aufzupassen. Ich weiß genau, was ihr nachts so treibt. Ihr kleinen Monster klettert heimlich aus dem Schlafzimmerfenster, sobald eure Eltern schlafen. Ich weiß, was ihr alles anstellt in Bushaltestellen, hinter dem Bahnhof, auf dem Dach vom Spar-Markt, im Hafen, unter dem Klettergerüst auf dem Kinderspielplatz – nicht wahr, Danny Towers?«
    Er machte eine Pause für das erwartete Gelächter, das dann auch kam. Danny wurde von seinen Kumpels geschubst und geboxt und grinste stolz.
    »Ich bin Realist«, sagte Shanks, sah zu mir auf meinem Porzellansitz und zwinkerte beinahe. »Ich verlange nicht von euch, damit aufzuhören. Ich sage euch nicht, ihr sollt abends drinnen bleiben, und genauso wenig, dass ihr das ganze Wochenende damit verbringen sollt, für eure Mutter staubzusaugen und die Blumen in St Peter’s zu arrangieren. Ich bin noch nicht so alt, dass ich nicht mehr wüsste, wie das ist. Was ich mache, ist, euch zu bitten, zu beschwören, anzuflehen und zu warnen, dass ihr, was immer ihr tut, es immer zu zweit tut. Mindestens. Versprecht mir, dass ihr vernünftig seid, bis dieser Kerl geschnappt ist.«
    Er war ernst geworden am Ende – seine Stimme wurde langsamer und fiel ab, bis er die Aufmerksamkeit fast aller im Raum hatte.
    »Aber, Sir, er hat es aufgegeben.« Danny ließ seine Stimme am Ende steigen, als würde er eine Frage stellen. Wir redeten alle so.
    »Wenn ich ›geschnappt‹ sage, dann meine ich richtig geschnappt – nicht nur eine Ruhepause, nicht nur eine kleine Auszeit über Weihnachten oder solange es draußen ein bisschen frostig ist, sondern dass er eingesperrt wird und sich rechtfertigen muss vor einem Zellengenossen, der einen halben Meter breiter ist als er und zufällig ein überfürsorglicher Vater einer Tochter. Habt ihr verstanden? Es ist noch zu früh, unvorsichtig zu werden.«
    Ich sah die ganzen Köpfe von hinten, die gehorsam nickten.
    »Chloe«, sagte er rasch, »nimm den Kopf vom Tisch, und hör auf zu tuscheln. Emma? Dreh dich bitte in diese Richtung. Denkt ihr, das alles hier betrifft euch nicht? Glaubt ihr, ihr seid