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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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berichtet:
    Das ganze Meer schien eine schneebedeckte Fläche zu sein. Es gab kaum eine Wolke am Himmel, dennoch sah es dort oben … so düster aus, als würde ein Sturm wüten.
    Die Szenerie war von Ehrfurcht gebietender Herrlichkeit, das in Phosphor verwandelte Meer und der schwarz verhängte Himmel und die erlöschenden Sterne schienen darauf hinzudeuten, dass sich die gesamte Natur vorbereitete auf die letzte große Feuersbrunst, die, wie uns zu glauben gelehrt wurde, die materielle Welt auslöschen wird.
    Der Britische Wetterdienst hat eine Biolumineszenz-Datenbank eingerichtet, die derzeit 235 Berichte über Meeresleuchten enthält, die seit 1915 beobachtet wurden. Sicher sind biolumineszente Organismen die Erklärung dafür? Aber die meisten dieser Organismen leuchten nur kurz und sind nicht fähig, das starke, anhaltende Licht zu erzeugen, das beobachtet wurde. Allein Meeresbakterien leuchten ständig. Allerdings haben Berechnungen ergeben, dass man unrealistisch hohe Mengen von Bakterien benötigt, um das beobachtete Licht zu produzieren. Herring und Watson räumen ein, dass es keine stichhaltige Erklärung gibt für Meeresleuchten, und bitten dennoch Beobachter, eine Wasserprobe zu entnehmen und mit einem Schuss Bleiche zu versetzen, für weitere Studien.
    Hier lösten sich Donalds Notizen in Fragmente auf. Ich formulierte sie aus und versuchte, seine Wörter in zusammenhängende Sätze zu fassen. Gut möglich, dass ich den Sinn verfälscht habe – ich weiß es wirklich nicht.
    Beobachtete Meeresleuchten in britischen Gewässern und ihr Nutzen: ein Antrag auf Kenntnisnahme, Finanzierung und Unterstützung für weitere Forschungen.
    Will nicht dieses Projekt abgeben.
    Es gibt sowohl kommerzielle als auch soziale und humanitäre Verwendungen von weiteren möglichen Erkenntnissen, die schnellstens erforscht werden müssen.
    Briefe an den BMS und diverse Meeresforschungsinstitute (unbeantwortet), als Anlage für Ihre Unterlagen und zur Durchsicht.
    Anm.: Was für eine Bleiche?
    Fast vierzig Minuten später druckte ich das Dokument aus und verstaute die Mappen und Unterlagen wieder in meiner Tasche. Ich ging zum Drucker, der auf dem Tisch des Bibliothekars vorne im Saal stand. Daneben stand eine rote Keksdose in Form einer Telefonzelle mit einem Geldschlitz oben. Mr Brocklehurst (alias Brokkoli alias Fleisch mit Gemüse) hob nie den Kopf. Solange er hörte, dass Geld in die Dose schepperte, interessierte es ihn nicht, wenn man sich seinen Ausdruck holte. Pro Seite waren fünf Pence fällig, aber ich schob eine Handvoll Pennys in den Schlitz, ohne den Blick von seinem gesenkten Kopf zu wenden. Ich war so sehr auf ihn konzentriert, dass ich Chloe und Emma gar nicht bemerkte, die sich gegenseitig stützten, grinsend wie langbeinige Vampire in weißen Strümpfen, und die Seiten aus dem Drucker nahmen, als sie dort ankamen.
    »Was ist das?«, fragte Chloe, das Papierbündel fest zwischen ihre Finger geklemmt. Sie zerknitterte die Seiten – sie umklammerte sie, weil sie damit rechnete, dass ich danach schnappen würde.
    »Gib her«, sagte ich.
    Emma beugte sich darüber, lehnte den Kopf an Chloes Schulter und fuhr mit den Fingern eine Textzeile entlang.
    » Trotz meines Alters und des Umstands, dass ich nicht schwimmen kann, ist es meine sehnlichste Hoffnung «, las sie in dem seehundähnlichen Bellen, das wir von den Förderschülern kannten, die gezwungen wurden, in der Klasse vorzulesen.
    »Was zum Teufel ist das?«, fragte sie.
    Brokkoli wandte den Kopf und lächelte.
    »Macht es euch was aus, draußen weiterzudiskutieren?«
    »Natürlich nicht, Mr Brocklehurst«, erwiderte Chloe und klemmte die Seiten unter den Arm. »Komm«, sagte sie über ihre Schulter hinweg. Emma zog die Nase hoch und folgte, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
    Ich wartete, bis ich sie durch die Glastür sah, über die Seiten gebeugt und lachend. Ich ging auch hinaus. Im Gang vor der Bücherei war es voll. Die zweite Mittagsschicht im Speisesaal war vorüber, und es war zu kalt, um nach draußen zu gehen.
    »Und?«, bohrte Chloe nach.
    »Ich schreibe eine Geschichte«, sagte ich. »Das ist nichts.«
    Der Trick war, dachte ich, die Hände in den Taschen zu behalten. Stillstehen, nicht vorbeugen, nicht danach grapschen. Abstand halten, locker atmen. Sie ist nur scharf darauf, weil sie denkt, es ist wichtig.
    »Ach ja?«, sagte Chloe und ging so dicht an die Seiten, dass es aussah, als würde sie an dem Papier riechen. Sie wedelte damit

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