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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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Fotografen. Die Frau zuckte bei jedem Blitzlicht zusammen, während der Mann – Wilsons Vater (ich dachte an Würmer, Angeln und das Rauchverbot) – in Anzug und Krawatte aussah, als wäre ihm heiß und unbehaglich. Er hatte große, derbe Hände, die auf dem Tisch auftauchten, dann in seinen Schoß herunterwanderten und schließlich wieder hervorkamen. Die Blitzlichter der Kameras spiegelten sich in seinen Brillengläsern.
    »Wir möchten nur, als Eltern, alle bitten, die wissen könnten, was sich zugetragen hat, sich zu melden. Unser Sohn ist nie mit dem Zug gefahren, und mit Bussen kennt er sich auch nicht besonders gut aus. Wenn er zu Fuß unterwegs war, muss ihn jemand mitgenommen haben. Er ist sehr mitteilsam … « – der Mann lächelte – »… und hält nie die Klappe.« Seine Stimme brach, und seine Frau berührte sanft seinen Arm. Er wischte mit dem Zeigefinger über sein Auge hinter dem Brillenglas und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Normalerweise fällt er auf. Bitte, denken Sie genau nach. Er hatte ein bisschen Geld dabei. Vielleicht hat er ein Taxi genommen. Vielleicht hat er Sie nach dem Weg gefragt.« Er schüttelte den Kopf, unfähig, weiterzusprechen. Seine Frau übernahm, und ihre Stimme war klar und hart und kalt.
    »Es interessiert uns nicht, was er angeblich getan haben soll oder nicht«, sagte sie. »Er ist unser Sohn. Er würde nie jemandem wehtun oder Angst machen. Niemals. Wir wünschen uns, dass er nach Hause kommt.«
    Sie verstummte und schluckte. Die Kamera zoomte sie heran, bis ihr Gesicht und ihre Hände das Bild ausfüllten. Sie schüttelte ein Taschentuch hervor und betupfte ihre trockenen Augenlider.
    In diesem Moment wollte ich den Mund aufmachen – Donald sagen, dass das alles falsch war, bevor ich entweder die Nerven verlor oder mich übergeben musste. Ich war es, wollte ich sagen. Ich. Meine Schuld. Ich habe es getan. Ich wollte ehrlich sein. Ich glaubte, was die Leute sagen: Wer die Wahrheit spricht, erleichtert sein Gewissen.
    Ich habe ihm gesagt, er soll aufs Eis gehen, und er ist eingebrochen und ertrunken .
    Die Worte waren schon da, und Donald war die sicherste Person, der man sich anvertrauen konnte – die beste Person, um die Theorie zu prüfen, ob man sich etwas von der Seele reden konnte, denn er würde es vergessen, und selbst wenn er das nicht täte und es weitererzählte, würde man ihm nicht glauben.
    Aber vielleicht doch. Und dann wäre ich im Fernsehen. Ich versteifte mich und versuchte, mir vorzustellen, wie das wohl sein mochte. Wie schräg war es, sich selbst in der Glotze zu sehen? Wie viel Ärger drohte mir wirklich?
    Ich dachte an das Gespräch mit Carl. An meine letzte Begegnung mit Chloe. Ich war auf mich allein gestellt – sie würden niemals für mich eintreten und zu Protokoll geben, dass ich nur mit Wilson geredet hatte, dass es keine Absicht war.
    »Wenn ich könnte, würde ich dich im Dunkeln leuchten lassen«, sagte Donald nachdenklich und schaltete auf ein anderes Programm.
    »Was?«
    Er drückte meine Hand, ließ sie los und stand auf. Starrte mich lächelnd an – obwohl, weniger mich als die Tapete hinter meinem Kopf.
    »Oder die Büsche im Park, wo du dich immer mit dieser Chloe herumtreibst«, sagte er.
    »Wir gehen nicht in die Büsche, Dad«, sagte ich.
    »Du warst seit einer Weile nicht mehr draußen«, bemerkte er. »Liegt es am Wetter? Zu kalt für dich?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Soll ich deiner Mutter sagen, sie soll dir neue Handschuhe kaufen?«
    »Chloe geht nicht raus.«
    »Sie hat sich doch wieder erholt seit ihrem Krankenhausaufenthalt?«
    »Sie wurde entlassen. Es war nichts, wirklich.«
    »Dann vermisst du sie also?«, fragte Donald. »Sitzt du deswegen nach der Schule immer in deinem Zimmer und schmollst?« Er lächelte. »Ärger im Paradies? Oder hat es was mit einem jungen Mann zu tun? Liegt dir was anderes auf dem Herzen?«
    Ich sah ihn an, während ich die Karten einsammelte und in die Schachtel schob, wobei ich darauf achtete, dass die Rückseiten alle in eine Richtung zeigten. Ich war überrascht, dass ihm das alles aufgefallen war.
    »Chloe hängt jetzt lieber mit Emma ab.«
    »Und da ist kein Platz für eine mehr?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das läuft halt manchmal so an unserer Schule. Ist nicht weiter wichtig.«
    »Dein alter Vater kann also nichts für dich tun?«
    »Ich bezweifle es«, antwortete ich und stellte mir vor, dass er bei Chloe zu Hause auftauchte und mit Nathan und Amanda in

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