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Ich kenne dich

Ich kenne dich

Titel: Ich kenne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenn Ashworth
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immun gegen das, was in der Stadt vor sich geht? Das letzte Opfer war fünfzehn – ihr werdet auch bald fünfzehn, oder? Falls er tatsächlich aufgehört hat, super – ich werde mich sicher nicht beschweren. Aber zwei Wochen ohne einen Überfall und ein paar Gerüchte über einen armen Jungen, der nicht mehr nach Hause gefunden hat, bedeuten nicht, dass ihr jetzt wieder sicher seid. Ich möchte nicht eines Morgens zum Direktor ins Büro gerufen werden, um zu erfahren, dass einer von euch ins Kreuzfeuer zwischen Jack the Ripper und einem Bürgerwehrmob geraten ist – klar? Denkt darüber nach, und wischt euch die Schminke aus dem Gesicht, bevor Mrs Grant das sieht und beschließt, weniger tolerant zu sein als ich. Noch einmal Nachsitzen in diesem Trimester, Chloe, und es gibt ein Gespräch mit deinen Eltern.«
    Emma war steif und blass und erschrocken – wahrscheinlich weil sie es nicht gewohnt war, gerüffelt zu werden. Langsam, sehr langsam, hob Chloe den Kopf. Ihr Gesicht war rot. Sie schüttelte sich vor Lachen.
    Nach der verheerenden Morgenregistrierung versuchte ich es erst gar nicht im Speisesaal. Ich wäre nie und nimmer fähig gewesen, alleine hineinzugehen, mich anzustellen, zu bezahlen, mich zu setzen, zu essen und mein Tablett zurückzugeben. Mein Magen knurrte und gluckerte vor Hunger.
    Du bist sowieso zu pummelig, dachte ich grimmig und ging in die entgegengesetzte Richtung zur Bücherei und zu den Computern, die man für Hausaufgaben benutzen durfte. Ich hatte Donalds Unterlagen dabei. Konnte genauso gut anfangen zu tippen.
    Trotz allem hatte das Tippen etwas Tröstliches. Donald hatte eine verkrampfte, unregelmäßige Schrift, oft verschmiert, weil er Linkshänder war. Ich hatte keine Mühe, sie zu entziffern, weil ich sie gewohnt war – ich hatte sowas schon vorher für ihn gemacht, so habe ich das Maschinenschreiben gelernt. Vor der neunten Klasse, als ich noch nicht die Schulcomputer für Schularbeiten benutzen durfte, hatte ich Barbaras alte Silver Reed benutzt – eine tragbare Schreibmaschine mit einer leiernden &-Taste und einem passenden Koffer aus Kunststoff in der Farbe von Hörgeräten – die, die Donald mit einem Klumpen Fett ruiniert hatte. Ich erinnere mich, dass ich anfangs das Farbband mit der Blumenspritze besprühte und zurückspulte, weil ich nicht wusste, dass man dafür Ersatz kaufen konnte.
    Manchmal entdeckte ich etwas Interessantes beim Abtippen, wenn auch nicht unbedingt Nützliches. Die Brüder Montgolfier erfanden den Heißluftballon und wollten ihn testen, indem sie verurteilten Verbrechern eine Begnadigung in Aussicht stellten, vorausgesetzt, sie überlebten den Probeflug über den Kanal. Oder Wrigley’s Kaugummis: das erste Produkt der Welt, das mit einem Strichcode verkauft wurde.
    Ich setzte mich an den Computer, der am weitesten von der Tür entfernt war, in eine Ecke neben einem Wandbild von berühmten toten Schriftstellern, die winkten und die Farben der Schule trugen. Der Computer summte, und der Monitor knisterte statisch, während der Rechner hochfuhr. Ich nahm Donalds Arbeitshefte aus meiner Tasche, steckte meine Diskette vorne in das Laufwerk und begann zu tippen.
    Nachdem wir am 27. Januar in den weiten Golf von Bengalen eingefahren waren … Gegen sieben Uhr abends fuhr die Nautilus … in einem Meer von Milch … War dies die Wirkung des Mondlichts? Nein, denn der Neumond … verbarg sich noch unter dem Horizont … Der ganze Himmel, obwohl durch das Sternenlicht erhellt, hob sich schwarz gegen das Weiß des Wassers ab.
    »Man bezeichnet dieses Phänomen als Milchmeer … «
    »Aber können Monsieur erklären, auf welche Ursache dieses Schauspiel zurückzuführen ist? Ich nehme wohl kaum an, dass sich das Wasser wirklich in Milch verwandelt hat.«
    »Nein, Conseil. Dieses Weiß, das dich derart in Erstaunen versetzt, ist auf die Anwesenheit unendlich vieler Infusionstierchen zurückzuführen, eine Art gallertartiger, farbloser Glühwürmchen, die nicht dicker als ein Haar und nicht länger als einen fünftel Millimeter sind. Die Tiere können sich zu einem Teppich von mehreren Meilen Durchmesser vereinen.«
    »… und versuche ja nicht, die genaue Anzahl dieser Tierchen zu schätzen. Es würde dir nicht gelingen, denn … so sind Seefahrer mehr als siebzig Kilometer weit über solche Milchmeere gefahren.«
    Jules Verne, 20 000 Meilen unter den Meeren
    Juni 1854. Südlich von Java. An Bord des amerikanischen Segelschiffs Shooting Star . Kapitän Kingman

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