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Ich klage an

Titel: Ich klage an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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wegen ihrer Schwangerschaft untersucht habe und er es wichtig finde, ihr das Ergebnis der Blutprobe mitzuteilen. Sie sei nämlich HIV-infiziert.
    Die Frau reagiert erschüttert: »Das ist nicht wahr. Ich habe ein braves, jungfräuliches Leben geführt. Ich habe mich an die strengen Regeln des Islam und meiner Familie gehalten. Und als ich jung war, habe ich mich noch nicht einmal nach Jungen umgedreht. Ich bin noch nie mit einem jungen Mann allein gewesen. Es ist ausgeschlossen, daß ich eine Geschlechtskrankheit habe.«
    Daraufhin sagt der Arzt, daß sie dennoch HlV-infiziert sei, und fragt: »Und was ist mit dem Sexualleben Ihres Mannes?«
    Sie erzählt, daß ihr Mann sehr nett zu ihr sei, gut für die Kinder sorge, sich sehr verantwortungsbewußt verhalte und aus einer guten Familie stamme. Ihr Mann könne diese Krankheit auf keinen Fall haben. Außerdem sei es eine Krankheit, die Muslime nicht bekommen könnten. Es sei eine Krankheit der Christen und vor allem der Homosexuellen. Weder sie noch ihr Mann hätten jemals eine Bluttransfusion bekommen, diese Ursache entfalle also auch.
    Als ihr Mann untersucht wird, stellt sich heraus, daß auch er infiziert ist. Er lebt schon länger in den Niederlanden als sie. Sie ist erst später, im Rahmen der Familienzusammenführung, nachgekommen. Wahrscheinlich hat er in der Zeit, in der er alleine hier war, ein ausschweifendes Sexualleben geführt oder ist regelmäßig zu Prostituierten gegangen.
    »Nach dem Schwangerschaftsabbruch muß ich Jungfrau sein«
    Ein Arzt ruft mich an. »Hier ist eine junge Somalierin«, sagt er, »die etwas Wichtiges mitzuteilen hat, aber keinen Dolmetscher will. Jetzt haben wir sie soweit, daß sie eine Telefondolmetscherin akzeptiert. Möchten Sie das machen?«
    Die junge Frau lehnt einen Dolmetscher ab, weil sie sich als Somalierin schämt, in Anwesenheit einer anderen Somalierin von ihren Problemen zu berichten. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, erkläre ich ihr, daß ich als Dolmetscherin der Schweigepflicht unterliege. Sie will ihren Namen nicht nennen. Sie ist erst siebzehn, aber ganz schön ausgekocht. Als ich ihr erkläre, daß ich nichts von dem, was sie erzählt, weite rsagen werde, erwidert sie: »Das würde ich dir auch nicht raten.«
    Sie sagt dem Arzt: »Ich bin schwanger und will es loswerden.«
    »Woher wissen Sie, daß Sie schwanger sind?« fragt der Arzt.
    »Ich habe einen Schwangerschaftstest gemacht«, antwortet sie. »Ich hatte so etwas schon vermutet, weil ich meine Periode nicht mehr bekommen habe.«
    Daraufhin sagt der Arzt, daß sie noch minderjährig sei und er sie aus diesem Grund nicht einfach so in eine Abtreibungs-
    klinik schicken könne. Der Vormund der Stiftung De Opbouw muß informiert werden und seine Zustimmung erteilen.
    »Kommt nicht in Frage«, ist ihre Antwort. »Ich will nicht, daß er es erfährt.«
    Der Arzt erklärt, ihr in diesem Fall nicht helfen zu können.
    »Okay«, sagt sie, »dann fahr ich halt nach Rotterdam. Dort wohnt eine Kapverdierin, die so etwas macht.«
    »Also gut«, stimmt der Arzt resignierend zu, aus Angst vor dem, was in Rotterdam geschehen könnte. »Ich bin bereit Ihnen zu helfen, aber ich will, daß eine Dolmetscherin dabei ist. Meine Pflicht als Arzt ist es nämlich, Ihnen eine ganze Menge zu erklären.«
    Sie erzählt, wie ihre Gemeinschaft auf die Schwangerschaft reagieren würde: »Wenn sie dahinterkommen, schließen sie mich aus.« Im Asylbewerberheim teilt sie sich ein Zimmer mit zwei anderen Somalierinnen. Um zu verhindern, daß die beiden etwas mitkriegen, will sie den Schwangerschaftsabbruch möglichst bald vornehmen lassen.
    Sie erklärt sich mit mir als Dolmetscherin einverstanden. Gemeinsam mit dem Arzt suche ich sie auf, um ihr zu erklären, daß man in den Niederlanden einen Schwangerschaftsabbruch nicht ohne weiteres vornehmen lassen kann. Wir bitten sie, zwei Tage gut über alle Fragen nachzudenken, die man ihr stellen wird (»Wie lange sind Sie schon schwanger?«, »Möchten Sie den Kindsvater informieren?«). Sie soll in aller Ruhe überlegen, um die richtige Entscheidung zu treffen. Sie soll sich ganz sicher sein, daß sie den Abbruch wirklich will. Aber S1 e ist sich ihrer Entscheidung bereits völlig sicher; sie geht in die Abtreibungsklinik nach Leiden, und ich begleite sie.
    Das Wartezimmer in der Abtreibungsklinik ist voller zugewanderter Frauen. Auch in den Aufwachräumen liegen fast nur Immigrantinnen, vor allem Türkinnen und Marokkane-
    rinnen, aber auch

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