Ich klage an
oft die Mütter, die ihre Töchter unter ihrer Fuchtel halten, und die Schwiegermütter, die ihren Schwiegertöchtern das Leben unerträglich machen. Cousinen und Tanten tratschen endlos übereinander und über andere und tragen mit dieser sozialen Kontrolle zum Erhalt ihrer eigenen Unterdrückung bei.
Der zweite Grund für meine kritische Haltung ist die Gefahr, daß ohne die Emanzipation der muslimischen Frauen die soziale Benachteiligung der Muslime andauern wird. Ich sehe eine direkte Verbindung zwischen der schlechten Stellung muslimischer Frauen auf der einen Seite und der Rückständigkeit der Muslime in der Bildung und auf dem Ar-beitsmarkt, der hohen Rate von Straffälligkeit unter den Jugendlichen und ihrer starken Inanspruchnahme von Sozialeinrichtungen auf der anderen Seite. Tatsächlich verweigert die Erziehung den muslimischen Mädchen Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit - Werte, die von wesentlicher Bedeutung für das Vorankommen in den Niederlanden sind.
Eine für die Emanzipation muslimischer Frauen gefährliche Entwicklung ist die Tatsache, daß das Alter für die Verheiratung junger Mädchen in den letzten Jahren gesunken ist. Jemanden zu verheiraten bedeutet, ein Mädchen oder eine junge Frau einem unbekannten Mann zur Verfügung zu stellen, der sie dann sexuell ausnutzen kann. Je jünger die Braut, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie Jungfrau ist. Tatsächlich handelt es sich hier um eine mit Zustimmung der gesamten Familie arrangierte Vergewaltigung. Die Verheiratung bedeutet normalerweise, daß das Mädchen seine Ausbildung nicht abschließen kann oder darf. Leider werden immer noch zahlreiche muslimische Mädchen dieser Praxis unterworfen.
Mädchen, denen es nicht gelingt, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, oder die befürchten, daß sie in ihrer Hochzeitsnacht nicht bluten (obwohl sie noch nie Sex hatten), lassen sich ihr Jungfernhäutchen operativ wiederherstellen. Etwa 10 bis 15 solcher Operationen werden jeden Monat in niederländischen Krankenhäusern durchgeführt. Durch die Tabuisierung des Themas Sex - und auch der Sexualerziehung - werden muslimische Mädchen und Frauen ungewollt schwanger oder infizieren sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nimmt wegen des Zustroms marokkanischer und türkischer Frauen zu.
Der dritte Grund, warum ich meine Stimme erhebe, ist der, daß kaum einmal jemand muslimischen Frauen zuhört. Die offiziellen Interessenvertreter sind fast durchweg Männer. Bedenkt man, in welchem Ausmaß die Betroffenen leiden, gibt es zu wenige soziale Einrichtungen und politische Parteien, die sich aktiv für eine Verbesserung des Schicksals muslimischer Frauen einsetzen. Sprecher muslimischer Organisationen, zugewanderte Politiker mit muslimischem Hintergrund sowie andere Fürsprecher für die Rechte bestimmter Gruppen überbieten sich darin, die enormen Probleme muslimischer Mädchen und Frauen im Westen zu leugnen, zu tri-vialisieren oder auszublenden.
In einem Interview’ sagte die Parlamentsabgeordnete Kha-dija Arib von der (sozialistischen) Partijvan de Arbeid folgendes zur Stellung muslimischer Frauen: »Man glaubt anscheinend, zugewanderte Frauen wollen den ganzen Tag isoliert zu Hause sitzen. Das tun sie aber hauptsächlich deshalb, weil sie nicht wissen, wohin sie gehen sollen.«
Bei der Eröffnung einer Mutter-und-Kind-Krippe im Amsterdamer Vorort Bos en Lommer in diesem Frühjahr schlug sie eine spezielle Einrichtung vor, wo Frauen sich den ganzen Tag beschäftigen können. Damit leugnet sie den Kern des Problems. In einem großen Teil der muslimischen Gemeinschaft existiert immer noch die Vorstellung, Frauen sollten nicht die Freiheit haben, sich außerhalb des Hauses zu bewegen oder zu arbeiten. Eine deutliche Kritik dieses Gedankenguts würde den muslimischen Frauen mehr nutzen als die Schaffung spezieller »Beschäftigungszentren« für Frauen.
Mein letzter Grund ist die feste Überzeugung, daß die Betonung einer muslimischen Identität und der entsprechenden Rechte für bestimmte Gruppen nachteilig für muslimische Frauen wäre. 1999 begann die Feministin und Professorin für Politologie Susan Möller Okin in den Vereinigten Staaten eine Diskussion zwischen den Fürsprechern des Multikulturalismus, welche die Förderung und den Erhalt islamischer (und anderer) Gruppenkulturen wünschen, und den Gegnern des Multikulturalismus, zu denen Okin selbst zählt. Ihrer Ansicht nach steht
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