Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
beglückte. Jubelnd rannten sie mit den bunten Ballons umher und bewarfen sich gegenseitig mit Sand.
Lächelnd sah Vivi ihnen zu. Wenn sie schon keine eigenen Kinder hatte, dann wollte sie wenigstens anderen Kindern eine Freude machen. Frohgemut fing sie an zu schmettern: »Hast du etwas Zeit für mich, dann singe ich ein Lied für dich von neunundneunzig Luftballons auf ihrem Weg zum Horizont …«
Sie dachte an Checker, den harten Kerl, der im wahrsten Sinne des Wortes wie vom Erdboden verschluckt war.
»Denkst du vielleicht grad an mich, dann singe ich ein Lied für dich von neunundneunzig Luftballons und dass so was von so was kommt.«
Das Klingeln ihres Handys beendete die Gesangseinlage. Es war Berthold Seitz, der sich erkundigte, ob es bei der Verabredung am Abend bleibe.
»Natürlich«, erwiderte Vivi. »Ich hole Sie um sieben ab. Und ich«, sie schluckte, »ich freu mich drauf.«
Den letzten Halbsatz hatte sie sich nur unter größten Mühen rausgequetscht. Einfach widerlich, wie die Kerle sie benutzten. Oder besser: benutzen wollten. Denn Sylvia Maria Gerlinde Bernburg hatte beschlossen, nicht mehr mitzumachen bei diesem Spiel, das keines war. Erpressung, Nötigung, sexuelle Übergriffe – nicht mit ihr!
Während die Gäste das Kuchenbuffet plünderten, parkte Ela mit quietschenden Reifen ihr Cabrio vor dem Haus und stieg eilig aus. Ihr grasgrünes, luftiges Sommerkleid leuchtete in der Sonne und bildete einen aparten Kontrast zu ihrem Feuermelderhaar. Mit großen Augen betrachtete sie die vielen spielenden Kinder.
»Was ist denn hier los?«
»Wir feiern die Einweihung des neuen Sandkastens«, erwiderte Vivi. »Möchtest du ein Stück Kuchen?«
Ela schürzte beeindruckt die Lippen. »Du bist wirklich ein Engel. Eine tolle Idee. Hast du schon Zeitung gelesen?«
Vivi verbarg die Hände in den Taschen ihrer Schürze. »Dazu hatte ich noch gar keine Zeit. Die Kirschtorte mit Zuckerguss ist übrigens besonders gut. Steht denn was Interessantes drin?«
»Kann man wohl sagen.« Ela nahm sich ein Stück Kirschkuchen und krönte es mit einem großzügigen Klacks Sahne. »Checker war’s. Er hat die Kreditkarte geklaut und ist untergetaucht. Spurlos verschwunden, so steht es jedenfalls in der Zeitung.«
»Der war mir sowieso nie ganz geheuer«, erwiderte Vivi.
»Jetzt suchen sie nach der Komplizin, nach dieser alten Dame. Man vermutet, dass es seine Mutter war. Wahrscheinlich ist das Gaunerpärchen längst über alle Berge.«
Vivi nickte zerstreut. Ich sterbe für Selbstgekochtes, hatte Checker gesagt. Selbst ein ausgekochtes Schlitzohr wie er machte eben mal einen Fehler. Einen ziemlich tödlichen. Das Rattengift hatte schnell gewirkt, alles war wie am Schnürchen gelaufen am Donnerstagabend: festliches Dinner, reichlich Wein, Pupillenstillstand.
»Sorry, Vivi, ich muss schon wieder los«, sagte Ela und wischte sich einen Sahnerest von den Lippen. »Wollte nur mal vorbeischauen und sehen, ob du dich von diesem grässlichen Dresen erholt hast.«
»Kein Problem.« Vivi umarmte ihre Freundin. »Montag bin ich wieder im Hotel. Danke noch mal für den Job.«
»Keine Ursache.«
Vivi sah noch ihrer Freundin hinterher, die mit einem Kavalierstart lospreschte, als zwei Mütter herankamen und ihr einen Blumenstrauß überreichten.
»In dieser kinderfeindlichen Gesellschaft sind Sie ein echter Lichtblick«, sagte eine der beiden ergriffen. »Wie sind Sie nur auf diese wundervolle Idee gekommen?«
Transport und Entsorgung, dachte Vivi. Sie hatte keine Lust gehabt, Checkers massigen Körper irgendwohin zu fahren. Dawar es doch viel praktischer gewesen, ihn gleich im Vorgarten zu deponieren. Noch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatte sie seine Leiche in das Baggerloch gerollt, mit Erde bedeckt und ihm zum Abschied ein »See you later, alligator« hinterhergesungen. Am Freitagmorgen war der Sand gekommen. Und nun, am Samstag, freuten sich alle über den schönen Spielplatz.
»Sagen wir, ich hatte eine Inspiration«, antwortete Vivi. »Möchten Sie noch ein Stück Kuchen? Oder lieber etwas Deftiges? In der Küche steht ein großer Topf mit Chili con Carne, das ist meine Spezialität!«
Die Gäste vergnügten sich noch vor Vivis Haus, als sie auch schon wieder in der Küche stand und losbrutzelte. Sie hatte Berthold Seitz überzeugen können, dass ein ungestörtes Picknick zu zweit in Wald und Flur viel romantischer wäre als ein Restaurantbesuch. Der Spätsommer war ungewöhnlich warm, und Vivi
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