Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
Richard.
Seufzend betrachtete sie die Schreibtischplatte, die so übersät mit Papieren und Aktenordnern war, dass kaum Platz blieb für den Laptop, die drei bereits benutzten Kaffeetassen und den Teller mit einem angebissenen Stück Kuchen.
Aha, er steht also doch auf Süßes, dachte Vivi. Dann habe ich ja das Richtige dabei. Sie öffnete ihre Handtasche und reichte ihm eine Tupperdose.
»Hier, meine berühmten Pekannussplätzchen«, erklärte sie. »Die habe ich extra für Sie gebacken.«
»Sie wollen mich wohl bestechen, was?«, blaffte der Kommissar. »Oder vergiften?«
Vivi brach der Schweiß aus. »Nein, nein, ich …«
»Schon gut«, wurde sie von Jan Petersen unterbrochen, der verschmitzt grinste, »war nicht ernst gemeint.«
Er nahm ihr die Tupperdose ab und nahm sich ein Plätzchen heraus. Als er anfing zu kauen, weiteten sich seine Augen.
»Wow. Die sind phantastisch!«
»Danke.«
So recht wusste Vivi nicht, was sie von alldem halten sollte. Spielte er mit ihr? Tat er nur so, als ginge er auf sie ein? Umdann die Schlinge zuzuziehen, die er ihr um den Hals gelegt hatte?
»Lassen Sie mich raten«, murmelte er kauend. »Karamell, Zimt und – eine Spur Chili, richtig?«
Vor lauter Verblüffung blieb Vivi der Mund offen stehen. Jan Petersen war der Erste, der die raffinierten Gewürze dieser Plätzchen erkannte. Die meisten Menschen mochten ihre Kreationen, doch bisher hatte niemand so viel Sachverstand gezeigt. Ein Mann, der kulinarisch derart versiert war, kann kein schlechter Mensch sein, dachte sie schon etwas zuversichtlicher.
»Unglaublich«, staunte sie. »Sie haben einen feinen Gaumen, Herr Kommissar.«
»Hauptkommissar«, verbesserte Petersen. »Mein Hobby ist Kochen. Vielleicht etwas ungewöhnlich für einen Mann mit meinem Beruf, aber es entspannt mich nun einmal. Dann vergesse ich die vielen Leichen, um die ich mich kümmern muss.«
Mit einem Schlag war Vivis Zuversicht dahin. Krampfhaft umklammerte sie ihre Handtasche, während ihr Herz bis zum Hals schlug. Sie betrachtete die Aktenordner auf dem Schreibtisch. Was befand sich darin? Gefährliche Unterlagen? Belastende Beweise?
»Sie sind ein interessanter Fall«, verkündete Petersen. Er nahm ein weiteres Plätzchen und klickte kauend auf seinem Laptop herum. »Die moderne Kriminologie eröffnet ganz neue Perspektiven. Hat jemand erst einmal unsere Aufmerksamkeit geweckt, ist er sozusagen ein gläserner Mensch.«
»Und was ist so spannend an mir?«, fragte Vivi mit bebenden Lippen.
»Ihr Umfeld«, antwortete der Kommissar. »Es ist schon auffällig,dass vier Herren von der Bildfläche verschwunden sind, mit denen Sie Kontakt hatten. Ihr Mann …«
»… starb an plötzlichem Herztod«, sagte Vivi schnell. »Das hat Doktor Köhnemann festgestellt, den Sie ja kennengelernt haben.«
Jan Petersen warf ihr einen kühlen Blick zu. »Falls man der Diagnose eines Arztes trauen darf, der altersbedingte Wahrnehmungsschwächen haben dürfte.«
Vivi biss sich auf die Lippen. Sie hatte schon viel zu viel gesagt.
»Ich sehe jedenfalls eine gewisse Ähnlichkeit zum Tod von Berthold Seitz«, sagte der Polizist, während er sich weiter durch seine Dateien klickte. »Das Muster ›plötzlich und unerwartet‹ stimmt überein. Die anderen beiden Männer geben allerdings Rätsel auf. André Kowalski starb an Gift und wurde im Rhein versenkt, Harry Wetzel tauchte erst gar nicht wieder auf.«
Mit ihrem herzzerreißendsten Augenaufschlag sah Vivi ihn an. »Herr Hauptkommissar Petersen, ich bin verwirrt. Verdächtigen Sie mich etwa?«
»Anfangsverdacht«, erwiderte er knapp. »Den können Sie jedoch entkräften, wenn Sie zur Aufklärung dieser Verbrechen beitragen.«
Mit schweißnassen Fingern spielte Vivi am Verschluss ihrer Handtasche. »Ich würde Ihnen ja gern helfen, aber ich wüsste nicht, was ich tun könnte.«
»Betrachten wir mal ein paar Fakten«, schlug Petersen vor, seinen Blick auf den Laptop geheftet. »Wenn Frauen morden, tun sie es zu neunzig Prozent mit Gift, sagt die Statistik. Sie haben in einem Wiesbadener Baumarkt gleich zweimal Rattengift gekauft, warten Sie, hier habe ich die Daten.«
»Moment, wie …«
»Tja, Sie haben mit Ihrer EC-Karte bezahlt, und was einmal drin ist im Computer, spuckt er auch wieder aus.«
Vivi verwünschte sich für ihre Ahnungslosigkeit. Nicht im Leben wäre sie darauf gekommen, dass solche Sachen gespeichert wurden. Langsam dämmerte ihr, was dieser Petersen gemeint hatte, als er vom
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