Ich komme um zu schreiben
„Scheiße, scheiße, scheiße“, fluchte sie, dann presste sie die Lippen wieder zusammen und wandte ihr Gesicht von dem weißen Tuch ab, das immer näher kam.
„Du hast echt Mut, Molly“, flüsterte er und streifte dabei mit den Lippen über ihre Schläfe. „Das mag ich so an dir. Du bist so stark, und dabei willst du eigentlich so gerne schwachsein. Und hilflos.“
„Nein!“
„Schon in Ordnung, Honey. Ist doch kein Problem. Jeder hat so seine Fantasien. Und jeder will auf seine Art glücklich werden.“
„Nein, Cameron, bitte geh einfach! Geh jetzt, und wir vergessen die Sache, okay? Das ist mein letztes Friedensangebot.“
Das Tuch streifte ihre Lippen, und sie presste sie noch fester zusammen, aber Cameron hielt ihr die Nase zu. „Komm schon, mach den Mund auf, Babe.“
Erst als ihr schwindelig wurde, schnappte sie nach Luft. Sekunden später hatte Cameron den Knebel fest in ihrem Nacken zusammengeschnürt.
„Na also. Macht dich das heiß, Molly? Mich ziemlich, um ehrlich zu sein. Warte kurz, ich bin gleich wieder da.“
Er schlenderte pfeifend aus dem Schlafzimmer. Kaum war er verschwunden, kam die Panik. Was, wenn sie gleich losheulte und keine Luft mehr durch die Nase bekam und dann qualvoll am eigenen Rotz erstickte? Ganz eindeutig nicht ihre bevorzugte Todesart. Doch die Hysterie klang schnell wieder ab, und Molly konnte sich Gedanken darüber machen, welche Taktik sie von jetzt an fahren sollte.
Cameron würde sie nicht umbringen. Na ja, das hoffte sie wenigstens. Er war eindeutig übergeschnappt, aber er schien sich ernsthaft einzubilden, dass eine derartige Behandlung sie anmachte. Er hatte mit Ben gesprochen, verdammt noch mal! Wenn sie starb, würde Cameron garantiert sofort als Täter entlarvt werden. Und vergewaltigen würde er sie in den nächsten fünf Tagen auch nicht. Diese Menstruationsgeschichte war wirklich ein Geniestreich gewesen.
Blieb nur noch Folter übrig. Marter mit einem Holzpaddel. Komm schon, das hältst du durch! Bestimmt würde Cameron nicht die ausgefeilten Praktiken eines irakischen Gefängniswärtersanwenden. Sie würde das schon schaffen.
Aber trotzdem fing sie an zu weinen. Verzweifelt schluchzte sie in das Tuch in ihrem Mund. Ihre Handgelenke und Schultern schmerzten, und ihre Schuhe brachten sie fast um. Warum hatte sie sich nicht die Zeit genommen, diese verdammten Dinger auszuziehen, ehe sie im Schrank gestöbert hatte? Cameron fand die High Heels wahrscheinlich so scharf, dass er sie Molly Tag und Nacht tragen lassen würde. Sie hatte jedenfalls noch nie Sadomaso-Bilder von Frauen in Hausschuhen gesehen. Als sie an die Häschenpuschen dachte, die nur einen Meter weit entfernt unter dem Bett lagen, schluchzte sie verzweifelt auf.
Okay, er würde sie nicht ermorden. Aber auf eine Folter war sie auch nicht eben scharf. Scheiß doch auf Tapferkeit und Trotzverhalten! Sie würde um Gnade winseln und auf Knien betteln. Sie würde stöhnen und jammern und Rotz und Wasser heulen.
Als sie schon ernsthafte Hoffnungen hegte, dass ihre laufende Nase Cameron endgültig abstoßen würde, hörte sie eine entfernte Erschütterung und einen leisen Aufschlag.
Komm schon, konzentrier dich, du weißt, was für ein Geräusch das ist!
Wahrscheinlich war nur die Kühlschranktür zugefallen. Sie spitzte die Ohren und hörte Cameron erst unterdrückt fluchen und dann wütend aufschreien.
„Wo zur Hölle sind deine Weingläser?“, brüllte er die Treppe hoch. Als ob Molly hätte antworten können!
Idiot. Ihm dabei zuzusehen, wie er seinen teuren Wein aus einem Saftglas trank, war zwar nur eine kleine Rache, aber besser als nichts.
Sie hörte ihn weiter in den Küchenschränken rumoren und mit Türen knallen, aber dann wurde sein Geschimpfe von einem entfernten Dröhnen unterbrochen.
Molly Herz machte einen riesigen Satz. Sie versuchte langsam und tief zu atmen, sie konnte nichts mehr hören, da ihr das Blut so laut in den Ohren rauschte. Da: Da war es wieder! Klopfklopfklopf.
Ohmeingott! Das war nicht die Kühlschranktür gewesen, sondern eine zufallende Autotür!
Die Tür von einem großen schwarzen Polizeifahrzeug, die hinter einem großen starken Polizisten zufiel! Bitte, bitte, bitte, lass das die Wahrheit sein!
Molly atmete tief ein und fing an zu schreien.
Bens Fäuste waren noch ganz taub, weil er das Steuerrad so fest umklammert hatte. Und jetzt stand er wie der letzte Trottel vor Mollys Haustür. Er war schon fast bei der Hütte angekommen, als sein
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