Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
aussuchen, wen ich kennenlernen wollte, obwohl ich das auf den ersten Blick gewusst hätte. Vielmehr wurde ich auf eine ganz bestimmte Person angesetzt. In kürzester Zeit sollte ich möglichst viel über ihr berufliches und privates Umfeld in Erfahrung bringen. Was ich nicht wusste, war, dass sich unter den Hotelgästen auch Undercoveragenten befanden. Es war ungefähr wie bei Faschingskrapfen: Es gibt nicht nur die süßen, sondern auch mit Senf gefüllte. Interessant für mich war es damals zu erkennen, dass beim Knüpfen von Kontakten jeder im Team eine andere Strategie einsetzte. Und dass es nicht nur auf die gute Methode ankommt, sondern darauf, dass Methode und Mensch zusammenpassen. Einer meiner Kollegen, Julian David, konnte die frechsten Sprüche bringen — er war ein charmanter Kerl, dem niemand etwas krummnahm. Der brauchte bloß seine stahlblauen Kulleraugen aufzureißen, und alles war wieder gut beziehungsweise besser als jemals zuvor. Hätte ein anderer dergestalt frech aufgetrumpft,
wäre er damit angeeckt. Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, dass Sie nicht nur wissen, welche Strategie am sichersten funktioniert, sondern dass Sie aus verschiedenen Möglichkeiten jene Empfehlungen herausgreifen, die zu Ihrer Persönlichkeit passen.
Was alle Spielarten gemein haben:
Warten Sie keinen Blickkontakt ab.
Sprechen Sie Ihr Gegenüber nicht frontal, sondern von der Seite an.
Lächeln Sie bei der Ansprache.
Eröffnen Sie das Gespräch mit einem Thema, das sich aus der aktuellen Situation ergibt.
Stellen Sie nicht zu viele Fragen.
Wechseln Sie die Gesprächsthemen.
Ihren persönlichen Weg finden Sie am besten durch stetes Training. Dazu brauchen Sie nicht auszugehen. Sie können ständig überall trainieren. Morgens in der Bäckerei beim Brötchenkaufen können Sie schon damit anfangen, wildfremde Menschen anzusprechen. Einfach so, ohne besonderes Ziel. Nur um in Kontakt zu kommen. Ein winziges Gespräch, das vielleicht nur aus zwei oder drei Wortwechseln besteht. Selbstverständlich sollte niemand spüren, dass Sie zu Beginn eventuell Stress damit haben oder unter Druck stehen. Sie sprechen die Leute so an, als würden Sie im Grunde genommen überhaupt keinen Wert darauf legen, sie anzusprechen. En passant. Im Vorübergehen. Beiläufig. Unkompliziert. Das ist die Kunst. Damit punkten Sie. »Wiederholung ist die Mutter der Weisheit«, besagt ein russisches Sprichwort. Irgendwann macht Ihnen das so viel Spaß, dass Sie es gar nicht mehr lassen können.
Nachfolgend zwei Erkenntnisse, die Sie vielleicht inspirieren:
Die meisten Menschen erzählen sehr gern von sich, da sie nur selten Gelegenheit dazu bekommen. Wir leben in einer Zeit, in der Zuhörer Mangelware sind. Wenn man auf einen stößt, dann behält man ihn gerne und redet und redet und redet. Sollten Sie das nicht glauben: Probieren Sie es aus.
Viele Menschen, die gern und ausschweifend erzählen, stellen keine einzige Gegenfrage. Nehmen Sie das nicht persönlich. Das ist so. Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Es zeigt nur die Bedürftigkeit Ihres Gegenübers und die Freude darüber, endlich einmal einen aufmerksamen Zuhörer gefunden zu haben.
Sollten Sie gelegentlich auf Ablehnung stoßen, nehmen Sie das erst recht nicht persönlich. Sie sind auch nicht jeden Tag gut gelaunt. Schütteln Sie die Sache innerlich ab und starten Sie den nächsten Kontakt.
Aus dem Agentenhandbuch
Vermeiden Sie alles, was bei einem Kontakt gewollt oder inszeniert wirken könnte. Natürlichkeit ist der entscheidende Schlüssel zum Erfolg.
Überlassen Sie bei aller Natürlichkeit nichts dem Zufall.
Nutzen Sie jede Möglichkeit, sympathisch und anziehend zu wirken.
Meiden Sie Anmachfloskeln.
Üben Sie täglich.
Betrachten Sie die ganze Angelegenheit als Spiel.
Kontakt vertiefen
Drei Wochen später fand unser nächster gemeinsamer Flug statt. Dieses Mal machte Tichow sich an einem verregneten Dienstag auf den Weg nach Amsterdam. Ich war an diesem Tag im Haus, was die Koordination erleichterte, und so traf ich frühzeitig in Schiphol ein, setzte mich in ein Café und las Zeitung. Tichow hatte noch einige Stunden im Auto vor sich. Um dreizehn Uhr setzte ich mich auf eine Bank unweit des KLM-Schalters. Ich überprüfte, dass man mich von dort aus nicht sehen konnte, und ließ den Schalter dann nicht mehr aus den Augen. In einer ruhigen und konzentrierten Stimmung rief ich mir noch einmal alles ins Gedächtnis, was ich über Tichow wusste. Dabei achtete ich darauf, dass meine
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