"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
kriechen aus Wohnmobilen, an einer Ecke riecht es nach Kaffee und frischen Croissants. Möchtegern-Schumis rasen mit ihren röhrenden Sportwagen über die Brücke. Morgen wird auch noch die halbe Innenstadt gesperrt. Was für ein Aufwand! Alles nur, damit ein paar Kerle in wattierten Strampelanzügen Radau machen und die Luft verpesten können! Wie lob' ich mir das Laufen: Ruhig, friedlich, unaufwändig! Einfach hineingeschlüpft in Laufkleidung und Schuhe, GPS-Uhr und Trinkgurt angelegt und los!
Zwischen Zelten und Wohnwagen finde ich einen Weg ans Ufer, falle in einen gemächlichen Trott und entferne mich langsam von demTrubel. Hin und wieder knallt noch eine Fehlzündung aus der Ferne hinüber, dann endlich wird es still. Enten und Gänse treiben auf dem sonnenglitzernden Wasser, das unbewegt wie ein Spiegel vor mir liegt. Ein Fischreiher streicht schimpfend ab, um einige Meter weiter wieder am Ufer zu landen und den Anglern Konkurrenz zu machen. Die Princesse Marie Astrid, ein großes Passagierschiff, trägt ihre Gäste nach Trier und weiter flussabwärts. Zwei riesige Frachtschiffe kommen ihr entgegen. Ein Schwanenpaar gleitet mit seinen zwei Jungen, die noch ihr kindlich-dunkles Gefieder tragen, ruhig an mir vorbei.
Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen: Hätte ich vor einigen Jahren gedacht, dass ich zu solchen Unternehmungen fähig wäre? Laufen? Drei Stunden und mehr "am Stück"? Nie! Hin und wieder joggen mochte ja noch angehen, aber doch nicht drei- oder viermal pro Woche. Bei Regen, Schnee und Hitze schon gar nicht. So früh am Morgen auf gar keinen Fall. Und nun ist all dies schon seit Monaten eine Selbstverständlichkeit. Ich bin 10 Kilo leichter und deutlich fitter als ich mit Mitte 20 war. Das macht froh, zufrieden – und auch ein wenig stolz!
Knapp hinter Kilometer 14 endet der Leinpfad an einer Treppe. Ich nehme die 20 Stufen hinauf, laufe an der Straße entlang auf die Grenzbrücke über die Sauer, die Deutschland von Luxemburg trennt. Rechts der Blick in das idyllische Sauertal, links mündet die Sauer in die Mosel. Der Verkehrsstrom der Tanktouristen, die von den günstigeren Benzinpreisen im Nachbarland profitieren wollen, tröpfelt um diese Uhrzeit erst spärlich. So ruhe ich gern einen Moment am Brückengeländer aus und nehme einen Schluck aus der Flasche.
Dann trabe ich zurück auf gleichem Wege. Inzwischen steht die Sonne hoch am Himmel. Die Bäume am Ufer spenden etwas Schatten, aber es wird merklich wärmer. Einen kurzen Fotostopp muss ich einfach einlegen, um die zauberhaften Spiegelungen der Hügel auf der Flussoberfläche festzuhalten. Doch gleich geht’s weiter. Und weiter. Und weiter. Die Oberschenkel beschweren sich. Die Hüften auch. Liegt es an den sehr leichten Schuhen? In den gedämpften habe ich mich letzte Woche wohler gefühlt. Sind sie die bessere Wahl für lange Läufe?
Viele Läuferkolleginnen und -kollegen sind inzwischen unterwegs. Ja, der Herbst ist Marathonzeit! Am Samstagmorgen laufen viele so wie ich regelmäßig ihren „Langen“ – regelmäßige Läufe von 30 und mehr Kilometern sind Pflichtprogramm, wenn man eine so lange Wettkampfdistanz unbeschadet überstehen will. Meist begegnen sie mir zu zweit oder zu dritt, die einen etwas zügiger, die anderen langsam wie ich. Aus dem Grüßen komme ich gar nicht mehr heraus.
Noch einmal stehen bleiben und trinken. Wenn ich ehrlich bin, reicht es für heute! Die Beine wollen nicht mehr recht. Ich dehne die hintere Oberschenkelmuskulatur, die zu verkrampfen droht. Bei Kilometer 26 unter der Brücke ist die Chance zum Abkürzen da: Wenn ich jetzt direkt heim laufen würde, wäre es doch vielleicht auch genug?! Reichen nicht auch zwei, drei Kilometer weniger? Muss es unbedingt das Besondere sein? Doch, es muss! Also noch ein Stück am Fluss entlang, unter der alten Römerbrücke hindurch, wo Enten, Gänse und Schwäne darauf warten, von Spaziergängern mit Brotresten gefüttert zu werden. Einen Schluck trinken am Wendepunkt, den letzten Rest aus der letzten von vier kleinen Flaschen. Zu wenig, ich habe Durst.
Durst beim Laufen ist gar nicht gut! Wenn er kommt, ist er ein sicheres Zeichen dafür, dass ich den richtigen Zeitpunkt zum Trinken verpasst habe! Aber es hilft nichts, auf den letzten zwei Kilometern werde ich nichts Flüssiges mehr auftreiben können.
Also weiter. Und weiter. Jetzt nur noch die Brücke hinauf. Vor den Augen der Polizisten kratze ich die letzten Reserven zusammen, um nicht wie ein
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