"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
Pfunde schmelzen lassen wie Butter an der Sonne, soll, soll, soll.
Mir läuft der Schweiß den Rücken runter, die Hände sind nass und mein Herz bubbert inzwischen wie bei einem heißen Flirt. Diese Schinderei hat niemand, aber auch wirklich niemand in diesem Leben verdient! „Es tut gut, du wirst sehen, es macht den Kopf total frei und wenn du erst einmal 15 Minuten gelaufen bist, willst du überhaupt nicht mehr aufhören!“ Diese Worte meiner lieben Berater habe ich im Ohr und immer wieder dieses „lauf Jäger, lauf Jäger, lauf, lauf, lauf“. Ich bin aber kein Jäger, ich muss nicht laufen, will nichts erschießen und habe höchstens langsam die Angst, dass es mich gleich zur Strecke bringt, dieses Foltergerät. „Du musst mindestens 45 Minuten durchhalten, sonst bringt das gar nichts.“ Auch der unglaublich tolle Hinweis sollte beachtet werden, schließlich ist diese Fachfrau schlankund rank und prahlt ständig damit, was sie alles essen kann, ohne ein Gramm zuzulegen.
Was spricht eigentlich gegen mein Hüftgold? Bin ich krank? Nein! Bin ich zu dick? Nein! Obwohl, bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Muss ich unbedingt meine Fitness auf diesem Foltergerät beweisen? Nein! Habe ich Glücksgefühle? Nein! Muss jeder Mensch unbedingt laufen? Nein! Geht alles wie von selbst, wenn ich nur lange genug durchhalte? Nein, nein und nochmals nein! Wandern, ja, genau, wandern. Ist doch im weitesten Sinne auch laufen. Zudem noch in der Natur, nicht in einem Fitness-Studio, wo um mich herum dampfende und keuchende Menschlein mit hechelnder Zunge und dumpfem Blick signalisieren, wie gesund sie alle leben.
Ich werde wandern, mit Stöcken, damit auch die Arme trainiert sind. Ich werde in den Wäldern gute Luft tanken, sicherlich Glücksgefühle entwickeln und wunderschöne Liedchen trällern. Da hört’s niemand und wenn, kann er/sie ja mitsingen. 45 Minuten sind ebenfalls kein Thema mehr, bei diesem Lauftraining könnten gut und gerne zwei Stunden anvisiert werden. Das ist doch die Lösung!
Und auf einmal sind sie da, die Glücksgefühle, ein zufriedenes Grinsen überzieht mein schweißgebadetes Gesicht, während mein Zeigefinger die „Stoptaste“ drückt. „Lauf Jäger, lauf Jäger“ ist schlagartig aus meinem Kopf verbannt. Im Wald, beim fröhlichen Wandern, wird sich dieses Lied viel besser anhören. Es kommt in Kürze in die engere Wahl.
Margitta Schneider
Erinnerungen
Im Geiste blättere ich in meinen Erinnerungen als Läuferin, wie es war, als ich mich im April 1979 spontan einer Gruppe Läufer-Werden- Wollender anschloss, damals noch nicht im Entferntesten ahnte, was es für meine Zukunft bedeuten und wie es mein Leben komplett ändern sollte. Sofort fing ich Feuer, stand Woche für Woche am vereinbarten Treffpunkt, um Laufen wieder zu erlernen. Mit vier Kilometern – unterbrochen nach je 1000 Metern mit kleinen, aber auch nötigen Pausen – begann meine Karriere als künftige Läuferin.
Unterstützt durch die für mich damals notwendige, grandiose Motivation meines Laufvaters, der mich auffing, wenn immer ich die Schuhe an den Nagel hängen wollte, der mich in meine eigenen Grenzen zurück verwies, mich mit Bedacht klug auf längere Strecken vorbereitete, mir mit Rat und Tat bei meinem ersten Marathon zur Seite stand, landete ich ohne meinen Körper zu überfordern, nach acht Jahren Laufens dort, wohin ich niemals auch nur im Traum gedacht hätte – auf der 100-Kilometer-Strecke. Was für ein Wahnsinn!
Als ich völlig unwissend das erste Mal davon hörte, dass es Menschen geben sollte, die in meinen Augen diese Tortur auf sich nehmen, empfand ich es als schier unglaublich – sollte ich nun auch zu dieser Sorte gehören? Wie es das Unglück wollte, erwischte ich bei dieser Premiere denkbar ungünstige Witterungsverhältnisse, erreichte traumatisiert mit bis dahin unbekannten Emotionen weinend das Ziel.
Mein spontaner Beschluss: DAS TUE ICH NIE WIEDER! Zu spät – denn heimlich und leise hatte sich das Ultra-Lauf-Virus eingenistet, hat mich nie mehr verlassen – bis heute. Über 100.000 Kilometer haben mich in diesen Jahren meine Beine
unermüdlich getragen
sportliche Erfolge beschert
mein Leben bereichert
mein Leben erleichtert
mich zu dem gemacht
was ich heute bin
leidenschaftliche Läuferin
spüren lassen
dass ich kann
wenn ich will
dass es sich lohnt
durchzuhalten
zu kämpfen
sich zu überwinden
stark zu sein
habe gelernt
was mir gut tut
und was nicht
Das Leben ist laufenswert!
Ich
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