Ich lebe lieber hier und jetzt
aus
dem Besucherzentrum. Der Potomac glitzerte in der Sonne und auf einem nahe
gelegenen Hügel erhoben sich majestätisch die berühmten Türme der historischen
Jesuitenkapelle. Blair musste zugeben, dass der Campus der alten Universität
Georgetown schön war, und auch die Stadt selbst war viel adretter und sauberer
als New Häven. Aber dafür war hier nichts von der Wir-sind-die-Besten-unse-
res-Jahrgangs-Atmosphäre zu spüren, die Yale so einzigartig machte.
»Dahinten links, das große
moderne Gebäude, das ist die Lauinger Library, die übrigens mal einen
Architekturpreis bekommen hat und außerdem die größte Sammlung ...« Blablabla. Rebecca ging rückwärts vor
Blair den Gehweg entlang und zählte die lahmen Sehenswürdigkeiten Georgetowns
auf. Blair hörte ihr gar nicht zu, sondern beobachtete die Menschen, die sich
kreuz und quer über das Unigelände bewegten. Junge Männer und Frauen, die sich
unübersehbar bei Brooks Brothers oder Anne Taylor - sprich zweckmäßig,
zeitlos, spießig - einkleideten und mit schwer bepackten Rucksäcken voller
Bücher entschlossen der Unibibliothek zustrebten. Blair nahm das Lernen sehr
ernst, aber heute war schließlich Samstag. Hatten die alle nichts Besseres zu
tun?
Plötzlich blieb Rebecca stehen
und presste die flache Hand an die Stirn. »Oje, Süße, ich bin so was von
verkatert... von der Rückwärtslauferei wird mir ganz schwindelig. Ich hab das
Gefühl, ich muss gleich kotzen!«
Blair hätte ihr gern gesagt,
dass ihr schon den ganzen Tag nach
Kotzen zumute war. Aber das war nichts Besonderes, das ging ihr an den meisten
anderen Tagen auch so. »Sollen wir uns vielleicht irgendwo reinsetzen und...
Kaffee trinken?« Sie war sehr zufrieden mit sich, weil sich der Vorschlag so
nett und normal anhörte, obwohl sie eigentlich keinen Kaffee, sondern einen
dreifachen Wodka- Martini brauchte.
Rebecca umarmte Blair stürmisch. »Du bist eine Frau nach meinem
Geschmack, Süße!«, jubelte sie. »Ich liiieebe Karamell-Macchiatos, du auch?«
Igitt.
Aber es war erst zwei Uhr
nachmittags, der Martini musste warten. »Kennst du irgendwas in der Nähe?«
Rebecca hakte sich bei Blair
unter. »Na, und ob\« Sie zückte ihr glitzerndes rosa-weißes Nokia. »Ich muss bloß schnell die Mädels
zusammentrommeln. Wir können unsere Party ja einfach vorverlegen, was meinst
du?«
Blair schnitt eine Grimasse und
tastete in ihrer mint- grünen Prada-Bubblebag nach ihrem eigenen Handy. Sie
vermisste Nate schon jetzt. Hätte sie sich doch bloß den Flachmann geborgt, den
er immer mit sich herumschleppte, dann hätte sie jetzt wenigstens ein Erinnerungsstück
an ihn und einen Schuss Wodka für ihren Macchiato.
Rebecca unterbrach die kleine
Telefonkonferenz mit ihren Freundinnen und hielt die Sprechmuschel mit der Hand
zu.
»Die sitzen schon in einer Bar
auf der M Street«, flüsterte sie und errötete vor Verlegenheit. »Hast du was
dagegen, wenn wir uns dort mit ihnen treffen?«
»Gar nicht.« Solange sie eine Zigarette und einen Cocktail
in der Hand hatte, ertrug Blair bereitwillig fast jede Gesellschaft.
wie
heiß sind sie wirklich auf ihn?
»Ey, Alter, du hast mir gar
nicht gesagt, dass das keine Trainer sind, sondern Trainer innen«, zischte Jeremy Scott
Tompkinson seinem Kumpel Nate zu, als er an ihm vorbeistürmte, um einen
besonders langen Pass zu erwischen.
Nate wirbelte seinen Lacrosse-Schläger
durch die Luft und wartete geduldig ab, bis Jeremy zu weit vorgeprescht war, um
sich dann elegant dazwischenzuwerfen und den Ball selbst abzufangen. Ein
ziemlich angeberisches, aber eben auch ziemlich beeindruckendes Manöver. Und
schließlich war er hier, um Eindruck zu machen. Anschließend schmetterte er den
Ball zu Jeremy rüber, um seine Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen, wie es
ihm Coach Michaels empfohlen hatte. Die beiden rannten nebeneinanderher zur
Spielfeldmitte zurück.
»Nur die Größere von den beiden
ist Trainerin. Die ist aus Yale. Die Kleine ist von der Zulassungsstelle der
Brown. Das ist die, die auch das Auswahlgespräch mit mir geführt hat«, keuchte
Nate. »Der Coach von der Brown konnte nicht kommen, weil er ein wichtiges Spiel
hat.«
»Egal, es sind jedenfalls alles Weiber, Alter!«, sagte Jeremy, dessen
Britpopper-Haarschnitt flatterte, während er übers Feld sprintete. »Kein
Wunder, dass du überall angenommen worden bist.«
Nate wischte sich grinsend den
Schweiß von der Stirn. Ja gut, es wäre nett gewesen, zu glauben, dass er
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