Ich lebe lieber hier und jetzt
oranges Kleid
und hatte glitzerndes Lipgloss und Mascara aufgelegt. Ihr rotblondes Haar war
frisch gebürstet und sie sah sogar noch verführerischer aus als am Mittag beim
Training im Central Park. Sie fingerte nervös am Stiel ihres Champagnerglases.
»Genug von mir. Sagen Sie...« Sie knabberte auf ihrer Unterlippe. »Haben Sie
eigentlich eine Freundin?«
Nate stocherte in seinem Salat
herum und verteilte Ziegenkäse auf den Blättern. Er war sich ziemlich sicher,
dass Brigids tief ausgeschnittenes Kleid und ihre Flirt-Fragen über ihren
Auftrag hinausgingen, ihn von der Brown zu überzeugen. Er hatte den Verdacht,
sie könne womöglich auch ein ganz privates Interesse an ihm haben. Aber abgesehen
davon arbeitete sie trotzdem für die Brown und er wollte einen guten Eindruck
machen.
»Sozusagen, ja«, antwortete er
zögernd. »Ich meine, manchmal sind wir zusammen und manchmal nicht.«
Die Antwort schien ihr zu
gefallen. »Und? Sind Sie zurzeit zusammen?«
Nate trank lieber Bier als
Champagner, trotzdem leerte er jetzt den Inhalt seines Glases blairmäßig in
einem Schluck. Ja, theoretisch waren er und Blair wieder glücklich zusammen,
juhu und hurra! Allerdings hatten sie noch nicht über die Rahmenbedingungen ihrer Beziehung gesprochen.
Zählte ein Flirt mit einer Mitarbeiterin der Brown-Zulassungsstelle schon als
Betrug?
Sein Handy klingelte. Er zog es
hastig aus der Hosentasche und verwünschte sich innerlich, weil er nicht daran
gedacht hatte, es vor dem Essen auszuschalten. Er warf einen Blick aufs
Display. Wenn man vom Teufel spricht.
Sein Kopf fühlte sich immer
noch leicht wattiert an, weil er bei seinem Kumpel Anthony Avuldsen sechs Züge
von der Bong genommen hatte, bevor er hergekommen war. Vielleicht würde ihn ein
Gespräch mit Blair etwas ausnüchtern.
»Ah, tut mir Leid - ich muss da
schnell mal ran«, entschuldigte er sich bei Brigid und meldete sich. »Hey.«
»Hallo«, begrüßte ihn Blair
frostig. »Bevor du was sagst, muss ich dich was fragen.«
Sie redete so abgehackt, als
würde sie versuchen, möglichst wenige Silben zu benutzen. Nate hörte, dass sie
getrunken hatte. »Okay.«
»Sag mir die Wahrheit. Hast du
dich in Yale beworben?«
Mannomannomann.
Nate griff nach dem Champagner,
den ihm der Kellner inzwischen nachgefüllt hatte, und leerte ihn in einem Zug.
Scheiße!, fluchte er in sich hinein. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Das war leider die Art von
Frage, auf die es keine richtige Antwort gab. Sagte er Ja, war er ein Schwein
und ein Lügner, sagte er Nein, war er auch ein Schwein und ein Lügner.
Brigid lächelte erwartungsvoll,
ihre Lippen glänzend. Wenigstens konnte sich Nate damit trösten, dass Blair
weit, weit weg in Georgetown saß und er mit einer Mitarbeiterin der
Zulassungsstelle der Brown zu Abend aß, die sich danach verzehrte, ihn nackt zu
sehen. Er beschloss, die Wahrheit zu sagen.
»Ja, hab ich, und so wie es
aussieht, wollen sie mich auch.«
Blair stieß einen merkwürdig
erstickten Laut aus, und dann hörte Nate aus der Ferne, wie sie in eine
Toilettenschüssel kotzte. »Ich hasse dich!«, röchelte sie ins Telefon und
legte auf.
Bevor Nate das Handy in die
Hosentasche zurückschob, schaltete er es aus. Der Kellner brachte den Hummer.
»Junge, Junge, sieht der lecker aus«, sagte Nate mit belegter Stimme.
»Machen wir uns zusammen über
den Schwanz her?«, fragte Brigid, die bereits begonnen hatte, das dampfende
Tier routiniert umzudrehen. Sie zeigte auf die edelstahlglänzenden
Hummerzangen, die der Kellner aufgelegt hatte. »Oder möchten Sie lieber mit den
Scheren anfangen?«
Eigentlich wollte Nate am
allerliebsten eine Bong durchziehen, danach eine Familienpackung Breyers
Schokoeis vertilgen und anschließend komatös vor dem Fernseher liegen und zum
neunzehnten Mal Matrix anschauen.
Brigid ließ von dem Hummer ab.
»Alles in Ordnung?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich
glaub, meine Freundin hat gerade mal wieder mit mir Schluss gemacht.«
Brigids blaugrüne Augen
öffneten sich weit. »Sie Armer!« Sie winkte nach dem Kellner. »Können Sie uns
den Hummer bitte einpacken?« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Na
kommen Sie, ich lade Sie auf ein Bier und eine Zigarette ein.«
Nate versuchte sich einzureden,
dass ihm eigentlich nichts Schlimmes passieren konnte, weil Blair zu weit weg
war, um ihn umzubringen, und dass es wahrscheinlich das Vernünftigste wäre, die
vierundzwanzig Stunden zu genießen, die ihm noch blieben. Er konnte
Weitere Kostenlose Bücher