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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden.›
    So ist das! Und ich will endlich einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden!»
    «Mensch, Mugalle…!» Kassau gab sich alle Mühe, es nicht wieder zu einem Krawall kommen zu lassen, hatte gleich Schichtwechsel und wollte so schnell wie möglich zum Flugplatz hinaus, nannte Jossa diese Gründe auch. «Mit mir heute nicht, mein Lieber!»
    «Artikel 104, Absatz 4, lesen Sie mal!» Jossa hatte unter Mugalles Papieren auch das Grundgesetz gefunden und mit hohem Interesse studiert, hielt es nun Kassau unter die Nase. «Absatz 4: ‹Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.› Die Person meines Vertrauens ist Professor Lachmund von der HÖV, und den bitte ich jetzt zu benachrichtigen!»
    Kassau sah ihn prüfend an. «Los, ab, zum Arzt!» Griff ihn und schleifte ihn mit.
    Im Krankenrevier saß wieder die Ärztin, die so aussah, als würde sie mit Milch und Eiern handeln.
    «Na, langsam doch beim Durchdrehen!»
    «Ja, aber nur, weil ich seit Tagen nicht aufs Klo kann. Zwei, drei Stunden lang hock ich jeden Tag und quäle mich ab, drücke, und die Schmerzen sind nicht mehr auszuhalten, die Krämpfe. Alles verstopft und…»
    «Essen Sie die Äpfel, die Sie kriegen, und trinken Wasser darauf!»
    «Ich befinde mich im Hungerstreik. Alles redet doch von Bürgerrechten, und mich, mich hält man hier fest, ohne jeden Grund und…»
    «Ruhe! Ich muß den Blutdruck messen!»
    Puls und Blutdruck waren in Ordnung, und sie wurde fast mütterlich-sanft, sagte, daß er schon arm dran sei, ja.
    Daraufhin bat er sie, flehte sie an, ob sie ihm nicht doch ein Abführmittel verschreiben könne.
    «Nein!»
    Versuchte es mit einem Trick, sprach Latein mit ihr («Non possumus! Ja, aber…!»), wollte ihr signalisieren, daß sie doch beide derselben Kaste angehörten, Gebildete waren, und er kein gewöhnlicher Knacki, sie also einem Standesgenossen wie ihm die kleine Bitte nach einem Mittel nicht abschlagen dürfte («Reseda, morbos reseda!»); doch auch umsonst.
    Bitter dachte er, als ihn Kassau in seine Zelle zurückführte, an die alte Weisheit: «Quod non est in actis, non est in mundo», murmelte sie halblaut vor sich hin und mußte sie daraufhin für Kassau übersetzen: «Was nicht in den Akten steht, ist nicht in der Welt!»
    Sie kamen an einem vergitterten Fenster vorbei, von dem aus man den Platz vor der Pforte voll im Blickfeld hatte. Er blieb stehen, um die Welt draußen in sich aufzunehmen, die Bad Brammermoorer Idylle, sich zu vergewissern, daß es dies alles noch gab…
    … und fuhr zusammen wie von einem Faustschlag getroffen, erstarrte, und alles Geschehen dehnte sich, lief in unendlich langsamer Zeitlupe weiter.
    Da unten stieg Mugalle aus seinem, Jossas, Auto, kam auf die Knastmauern zugelaufen, trug seine Lederweste, seine Brille, hatte seinen alten grünen Ringordner unterm Arm.
    Mugalle zurück! Mugalle, als Jossa verkleidet, Mugalle klingelte unten, und die schwere stählerne Tür tat sich auf für ihn.

 
    Variante 4/II
     
     
     
    JVA Bad Brammermoor, Flügel B, Zelle 124. Aufgeschlossen, aufgeriegelt, aufgerissen wurde Jossas Tür, und Kassaus pfiffig-schwejksches Schweinsgesicht erschien.
    «Mugalle, noch einmal der Jossa für dich, das Brammer Tageblatt!»
    Und wie ein Zauberkünstler das Kaninchen aus dem Hut hatte er im Handumdrehen den Avisierten hinterm Rücken vorgezogen und in die Zelle geschoben.
    Ehe Jossa wieder Atem holen konnte, war die Tür schon wieder zugefallen, war er mit seinem Besucher allein. Alle Menschen, auch die höchsten Würdenträger, hätte er sich hier in seiner Zelle vorstellen können, nicht aber diesen Mann, Martin Mugalle, ausgerechnet den.
    Mugalle warf Jossas grünen Ringordner aufs Bett, legte die Brille dazu und setzte sich aufs Klo.
    «Da bin ich wieder…!» Er steckte sich ein Zigarillo an. «Was’n Glück, daß Zweeloo mir erlaubt hat, Sie… dich… ein zweites Mal zu interviewen.»
    Jossa starrte ihn an.
    Da waren sie, die ersten Halluzinationen, lange schon erwartet, von vielen prophezeit.
    «Mugalle…!?» stammelte er. «Sie hier…?»
    «Ja, sicher. Hatten Sie denn je daran gezweifelt? Ich hab getan, was anders ich nicht tun konnte, und ich bitte Sie inständigst um Vergebung, lieber Jossa, daß ich Sie und Ihren Namen so schlimm mißbraucht

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