Ich lege Rosen auf mein Grab
Irren abstempeln. Du siehst, alles wäre fehlgeschlagen, hätte sich Mugalle sofort ins nächste Flugzeug gesetzt. Darum mußte er also für ein Weilchen den Jossa spielen; trotz aller Risiken. Und wo hätte er denn sonst auch hingesollt? Chantal in New York, sein Haus längst zwangsversteigert, seine Freunde in alle Welt zerstreut. Ins Hotel gehen? Da hätte er am ehesten alte Bekannte getroffen, wäre Fahndern aufgefallen. Dann schon lieber als Jossa in Jossas Wohnung leben, das Geld aus dem Bungalow holen und von hier aus systematisch die «Übersiedlung» nach Kolumbien vorbereiten (im Reisebüro soll er sich danach erkundigt haben).
Noch etwas: Sicherlich reizte ihn dies Spielchen auch, genoß er das Prickeln, das Lustgefühl, das mit der Gefahr des «Enttarntwerdens» verbunden war. Man kann ja nicht anders, als ihn eine Spielernatur nennen, durch und durch einen Abenteurer.
Ja, mein lieber -ky, das dürfte wohl die Wirklichkeit gewesen sein, ganz nüchtern, ganz simpel.
Ob ich Dir damit Dein Buch kaputtmache? Ich weiß ja, was Du willst: den Leuten zeigen, daß die Welt sich heute nicht mehr logisch-rational deuten und erkennen läßt, daß es keine eine Wahrheit, keine eine Wirklichkeit mehr gibt, sondern nur noch Spekulationen darüber. Darum ja die vielen Varianten Jossas. Aber für mich ist das alles viel einfacher und noch immer ganz logisch.
Herzlichst Dein C. C.
(Bleistiftnotiz -ky: Diese dumme Sau heult doch auch nur mit den Wölfen, um sich ihren Job als Hofberichterstatter zu erhalten!)
Martin Mugalle frei in Bramme IV
Mugalle stand an der offenen Balkontür des Jossaschen Apartments, rauchte einen Zigarillo und verfolgte aufmerksam, wie tief unter ihm in Stadt wie Umland immer mehr Lichter sternengleich aufflammten. Da es drinnen unerträglich heiß und stickig war, wäre er gern weiter hinaus ins Freie getreten, doch der sogenannte Balkon hatte lediglich die Breite einer Badezimmermatte und war zudem nur von einem knapp hüfthohen und verdammt locker-rostigen Gitter gesichert, das nicht mal dazu taugte, einen Blumenkasten rauszuhängen. Und das im fünften Stockwerk oben.
Mugalle, von leichtem Schwindel gepackt, warf den Rest seines Zigarillos auf die wenig belebte Straße hinunter, ging ins Zimmer zurück und drehte den Dimmer der großen Deckenleuchte mit einem schnellen Kick herum, so daß der kleine Tisch darunter wie von einem Scheinwerfer angestrahlt war. Ein eleganter Lederkoffer stand darauf, bordeauxrot mit goldenen Beschlägen, und als Mugalle ihn aufklappte, kamen Bündel von blauen und Berge von braunen Scheinen zum Vorschein. Ein Gegenüber gab es nicht, es war kein Vorhang vorzuziehen.
«Der ist mir zu groß, der Koffer, und viel zu auffällig», sagte Mugalle, sprach, wie von seiner Brammermoorer Zelle her gewohnt, wieder einmal mit sich selber.
Er klappte das Behältnis wieder zu, nahm seine Schlüssel vom Haken und verließ leise, den Radetzky-Marsch vor sich hinsummend, die Wohnung. Gleich neben dem Lift war eine kleine stählerne Tür, in schönstem Südsee-Blau gestrichen, die offiziell «Zur Technik» führte, aber auch zu einigen Verschlägen, die Hausbewohner zum Abstellen feuerpolizeilich nicht in jedem Fall erlaubter Dinge mieten konnten. Jossa hatte diese Möglichkeit genutzt, und Mugalle sah nun nach, ob sich wohl für seine Zwecke etwas finden ließ, Koffer oder ähnliches, entdeckte in der hinteren Ecke eine blaue Tennistasche, die abgewetzt und speckig war, für potentielle Interessenten wenig attraktiv.
Beim Verlassen der Technikzentrale stieß er dann, ein wenig forschend, jungenhaft, auf eine schmale Tür, die aufs Dach hinausführte und von da weiter auf das alleroberste Deck des neuen Parkhauses Packhofstraße. Diese Entdeckung freute ihn, denn er sparte sich, wenn er seinen, das heißt Jossas, Wagen hier parkte und diesen sozusagen Notausgang benutzte, gegenüber dem offiziellen Weg etliche Minuten.
Sehr schön!
Er kehrte in sein, beziehungsweise Jossas, Apartment zurück und machte sich ans Umverteilen der Geldscheine.
«Verdammt noch mal! Merde!» Mit der Tennistasche hatte er einen Aschenbecher, echtes böhmisches Glas, vom Tischchen gestoßen, gewaltig Lärm gemacht.
Im selben Augenblick wurde an der Wohnungstür geklingelt.
Mugalle erstarrte, absolut unfähig zu irgendwelcher Reaktion.
Vom Flur her kam eine weibliche Stimme. «Mach auf, ich weiß doch genau, daß du da bist!» Fordernd und bittend zugleich,
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