Ich lege Rosen auf mein Grab
verhalten-ruhig und dennoch ziemlich hysterisch.
Mugalle schlug den Koffer zu, ratschte den Reißverschluß der Tennistasche bis zum Anschlag entlang und stellte beide zwischen Sessel und Heizung.
Staub wirbelte hoch, und ein allergisches Niesen ließ sich nicht mehr unterdrücken.
«Wer ist denn da?»
«Anja! Hörst du doch!»
Eine Mücke kam sirrend zum Fenster herein, von seiner Körperwärme angezogen.
Der Wasserhahn in der Kochnische hinten machte in immer gleichen Abständen «Plopp».
In Jossas Trödelmarktwecker klemmte ein Rädchen, entlud sich der angestaute Federdruck mit einer leichten Vibration.
Vom Fluß her drang das Stampfen des Schiffsdiesels herauf, als die «Bürgermeister Büssenschütt», von Brake und Elsfleth glücklich heimkehrend, den Landungssteg ansteuerte.
Auf der Brammermoorer Heerstraße bremste ein Wagen im Rallyestil.
Wieder Anjas Stimme, ebenso klagend wie anklagend. «Ich bin extra von Stuttgart hochgekommen…!»
«Dann nimm den nächsten Zug und fahr wieder runter!» rief Mugalle. Wohl ein wenig zu schrill, doch das machte nichts, da Jossas Stimmlage, hörte man beide zugleich, eh eine Idee höher war als seine.
«Es geht um mich! Ich kann ohne dich nicht…! Jojo! Ich hab schon einen Suizid hinter mir. Das ist ein Hilfeschrei, meine Verzweiflung – hörst du das nicht!»
«Anja, bitte, es hat doch alles keinen Zweck mehr!»
«Mach wenigstens auf, hör mich an, laß uns noch mal in aller Ruhe über alles sprechen!»
Mugalle stöhnte auf, kannte solche Dialoge, denn Chantal liebte es, sie nächtelang zu führen. «Wozu denn!? Das haben wir doch schon x-mal gemacht, ohne daß dabei was rausgekommen ist.»
«Mach auf jetzt, sonst tret ich dir die Tür ein! Dann ist hier die Hölle los!»
Mugalle zwang sich, tief durchzuatmen. Dann drehte er den Dimmer auf die niedrigste Stufe hinunter, schuf ein ungewisses Dämmerlicht im Raum, nahm Jossas Nickelbrille vom Fernseher und setzte sie auf, besah sich kurz im Spiegel und zögerte wieder.
«Ich zähle bis drei! Eins… Und zwei… Und…»
Da war er an der Tür, hatte sie mit einem wütenden Hieb auf die Klinke so weit aufgerissen, daß die Wand dahinter Schaden nahm.
Er hatte Jossas Tagebücher und Briefe gelesen, Jossas Fotoalben durchgeblättert, und Anja Naujocks, die da im Treppenhaus stand, war ihm in einem solchen Maße vertraut, daß er zwar ein, zwei Sekunden brauchte, das reale Bild mit dem in seiner Phantasie gespeicherten angemessen abzugleichen, keineswegs aber derart verblüfft-erschrocken reagierte, daß sie den Männertausch sofort bemerkt hätte.
Ja, das war sie: Anfangs Kunststudentin, dann zu den Psychologen übergelaufen, später zwei Semester Schauspielschule, eine kaum verkaufte Platte Soul und Rock, im Aussehen imitierte sie die gerade populären Rocksängerinnen. Geht die Welt auch unter, ich geh nicht mit…! Doch es gab noch eine ernsthafte Seite. Sie hatte sogar ein Buch veröffentlicht: Anja Naujocks und Jens-Otto Jossa, Das Kunstverständnis von Bild-Lesern, Stuttgart 1983, 438 Seiten, DM 52,-.
Mugalle war ins Halbdunkel einer kleinen Diele getreten, ihr den Weg ins Zimmer freigebend, bemüht, ihr ganz klare Jossa-Signale zukommen zu lassen: Die Brille (er rückte sie mit einer kleinen Bewegung zurecht), den abgegriffenen Ringordner (er nahm ihn, scheinbar verlegen, vom Schuhschränkchen hoch, um ihn auf die Hutablage oben zu schieben), die braunen Camel-Lederstiefel (er stieß sie mit einem schnellen Fußtritt zur Seite), das «Markenzeichen» Lederweste (die hatte er an und drückte recht geräuschvoll zwei schwergängige Druckknöpfe zu).
Das erste Manöver gelang, Anja stürmte an ihm vorbei in die Mitte des Raumes, drehte sich im Kreis herum, hektisch, fiebrig, nahe am Ausflippen, die Bühne nutzend, doch noch ohne Text.
«Hier bist du also gelandet!» rief sie schließlich. «Gratuliere! Mein Gott, in Bramme! Alles hinwerfen, flüchten… Na, ist mir jetzt auch scheißegal, aber meine Sparbücher hätt ich gerne wieder, die hast du nämlich mitgehen lassen!»
«Nicht doch…» sagte Mugalle mit einem Versuch, möglichst stimmlos zu sprechen.
«Doch-doch!» Sie war viel zu erregt, um ein Ohr für bestimmte Nuancen zu haben. War vielleicht doch auch gekommen, das verdammte Unbewußte, um einen neuen Anfang mit ihm… Im Versuch, da gegenzusteuern, keifte sie fast. «Nicht genug, daß du mir alle meine Illusionen geraubt hast, nun auch noch all meine Ersparnisse…!»
«Das kann
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