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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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um ein lieb-erfreutes Lächeln bemüht: Kinder Gottes sind wir alle, und ich bin ebenso sanftmütig wie du, Bruder Seeling. Eine andere Überlebensstrategie gab es hier nicht.
    Doch Dr. Seeling war ganz harmlos heute. «Mein lieber Mugalle, unser Gespräch neulich, das ist mir noch lange nachgegangen… Hoffentlich habe ich da bei Ihnen keine schlimmen Gefühle… Sie haben mich doch nach einer Kollegin gefragt, die früher mal als Praktikantin hier gewesen ist, der Anja Naujocks…?»
    «Ja…»
    «Das war ein Irrtum von mir. Die sitzt gar nicht im Rollstuhl, das hab ich verwechselt. Die Dame, die ich gemeint habe, die heißt Anke, Anke Soundso…»
    Jossa sah ihm hinterher, und als er dann wieder beim Knöpfe-annähen saß, kam er gar nicht mehr von Anja los.
    Anja auf dem Bett, wie er ihre Schenkel und Schamlippen mit einer großen Pfauenfeder streichelte, liebkoste. Bis sie ihn dann an sich riß. «Jetzt dein Mund!»
    Anja, wie sie ihn zwingen will, auf ihrer Toilette im Sitzen zu pinkeln. «Ich wisch das nicht immer ab, wenn du da gewesen bist!» – «Pinkle du mal schräg nach unten, wenn er steht!»
    Anja, nackt beim Sonnenbaden im Herrenhäuser Park. Er kommt mit einem Brief; ihre erste Rolle ist perfekt. Da springt sie auf und rennt den Hauptweg entlang, ihre Badehandtuch schwenkend.
    Anja, wie sie («Mensch, du, wie das prickelt, echt irre!») im Minirock durch die hitzeheiße Innenstadt geht, mit keinem Slip darunter.
    Wie sich ihre prüde Tante Kathi zum Fünfzigsten den «schönsten Gummibaum wünscht, den es in Fulda gibt», und Anja einen riesengroßen Birkenzweig nimmt, die Blätter abknipst und dafür Kondome überstreift.
    Wie sie es einfach nicht schafft, das Wort «Institutionalisierung» fehlerfrei zu sprechen («Kußschäden an der Zunge!»), wie sie ihn mit ihren braunen Augen («Anja, mein Rehlein!») unentwegt fixieren konnte: Wer bist du? Wirst du mir Glück bringen, oder wirst du mich vernichten?
    Im «Gitterstäbchen», der hiesigen Gefangenenzeitung, hatten sie ein Gedicht aus dem «Pendel» nachgedruckt, aus der JVA in Lüneburg, das er an diesem Tag immer wieder las: Detlef Jacobs, beim besuch…
     
    beim besuch
    halte ich deine hand
    sehe dich an…
    möchte dir so viel sagen…
    eine viertel stunde
    kraft tanken
    und leben dürfen
    und wärme spüren
    halte deine hand
    streiche dir übers haar
    und bin froh
    noch zu leben
    nehme die kraft
    die ich brauche…
    eine viertel stunde
    das gefühl
    wieder mensch zu sein
    dafür danke ich dir…
     
    Jossa schloß die Augen und suchte mit all seiner Kraft seinen Willen so zu bündeln, daß er wie ein Laserstrahl zu Anja dringen konnte: Bitte, komm doch her, erlöse mich! Ich brauche dich, Anja!
    Zugleich erschrak er darüber, denn was sollte das alles: Chantal kam, nicht Anja.
    Doch der Tag verging, ohne daß Mugalles Verlobte in der JVA erschienen war, er wartete fieberhaft bis 17 Uhr 30.
    Aus und vorbei.
    Zerplatzt wie eine Seifenblase.
    Dafür kam Kassau grinsend auf ihn zu, das Brammer Tageblatt schwenkend.
    «Bloß gut, Mugalle, daß du nich wirklich Jossa bist! Sei froh…!»
    «Wieso’n das…?»
    «Weil du sonst zu uns in den Knast kommen würdest…!» Er lachte schallend über seinen Gag, konnte sich gar nicht mehr einkriegen, lief krebsrot an, ließ mehrere Kollegen herbeieilen. «Als Mörder aber!»
    Jossa starrte ihn an. «Versteh ich nicht…?»
    «Na, Mensch, weil der Jossa, der echte Jossa draußen, weil der gestern abend seine Ex-Verlobte aus’m Apartment rausgestürzt hat, oben vom Balkon runter…! Anja hieß die. Auf der Stelle tot. So ‘n einziger Matsch nur noch…»
    Jossa wehrte sich mit aller Kraft dagegen, diese Information in sein Bewußtsein dringen zu lassen, sie rational zu registrieren, wollte sie abprallen lassen wie ein Tennisball von einer Wand. Fragte nur leise und mechanisch. «Ist er denn verhaftet worden…?»
    «Nein, auf der Flucht is’ er.»
    Jossa war derart geschockt, daß er nicht fähig war zu irgendwelcher Arbeit, auf seinem Arbeitsschemel ganz in sich zusammensackte und vom Meister in seine Heimatzelle durchgeschlossen werden mußte.
    Dort allein hieb er, wie ein Specht oben in der Kiefer, so lange mit dem Kopf gegen die hölzerne Seitenwand seines Schrankes, bis er das Bewußtsein verlor.
    Als er wieder zu sich kam, riß er Mugalles kunstvolle Chantal-Collage mit einem Ruck herunter, schmiß alles auf den Boden, zertrampelte es.
    Chantal wie Anja, er mußte beide aus seinem Leben

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