Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
Hausaufgabe?«
»Für die Liebe muss man schon ein kleines bisschen Arbeit investieren. Es ist nicht damit getan, einmal pro Woche zu mir zu kommen.«
»In Ordnung«, seufze ich schicksalsergeben. »Was sollen wir machen?«
»Miteinander reden.«
»Wir reden permanent miteinander«, wende ich ein.
»Ihr sollt aber richtig miteinander reden. Und zwar im Zwiegespräch. Das heißt, ihr nehmt euch bewusst Zeit für ein Gespräch. Dann darf einer von euch beiden eine halbe Stunde sprechen, ohne dass der andere ihn unterbricht. Dann ist der andere dran.«
»Was soll das denn bringen?«, will ich wissen.
»Es verbessert die Kommunikation. Und manchmal erfährt man dabei Dinge, die einen überraschen. Ihr werdet schon sehen.«
»Kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber …«
»Carla«, werde ich von Ingo unterbrochen, der jetzt tatsächlich ein bisschen sauer wirkt, »wenn du bei allem, was Tante Ilse vorschlägt, bockig bist und Einwände hast, können wir das Ganze auch gleich lassen. Möchtest du das?«
»Nein«, murmele ich. Dabei wäre »ja« die ehrlichere Antwort. Aber gut, ich kann ja jederzeit aussteigen, wenn mir das alles zu blöd wird.
»Und noch etwas«, meint Tante Ilse, als sie uns zur Tür bringt. »Ihr solltet euch ab sofort wie ein Paar verhalten.«
Ich schnappe nach Luft. »Also doch Sex?«
»Nein.« Sie lacht. »Aber gebt euch nach außen hin als Paar. Haltet Händchen, erzählt euren Freunden und eurer Familie, dass ihr zusammen seid.«
»Warum das?«
»Damit ihr seht, wie ihr als Paar funktioniert, wie es sich anfühlt.«
»Sorry, das ist mir zu früh, das kann ich noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es …« Ich komme schon wieder ins Stocken.
»Weil es ihr peinlich ist«, vollendet Ingo meinen Satz.
»Das stimmt nicht!«
»Dann kannst du ja auch so tun, als ob.«
»Es tut mir leid. Aber ich halte das alles für kompletten Schwachsinn. Ich glaube, ich will dieses Experiment lieber doch nicht machen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, reiße ich die Tür von Tante Ilses Praxis auf und stürze ins Treppenhaus. Ich hab’s versucht, ich hab es wirklich versucht – aber ich kann nicht so tun, als ob ich Ingos Freundin wäre! Während ich die Treppen zum Ausgang hinunterstürme, laufen mir die Tränen über die Wangen. Ich werde niemals in einer Beziehung glücklich werden! Weder mit Ingo noch mit sonst irgendwem!
»Na? Wie war eure erste Sitzung?«, erkundigt sich Luzie neugierig, als sie am nächsten Morgen in den Laden kommt.
»Grauenhaft«, gestehe ich. »Absolut grauenhaft und unsinnig. Das funktioniert einfach nicht.«
»Hm. Aber wenigstens hast du es versucht.«
»Ja. Und bei diesem einen Versuch wird es auch bleiben, so viel steht fest.«
Ingo hat gestern Abend nach der Sitzung noch ein paarmal angerufen, aber ich bin nicht ans Telefon gegangen. Mir war das alles zu viel, ständig musste ich über seine achtzig Prozent Sex nachdenken und darüber, dass ich seine Freundin spielen soll. Nein, so funktioniert das nicht. Liebe ist eine Himmelsmacht und kein Ikearegal, das man einfach nach Gebrauchsanweisung zusammenschrauben kann. Oder vielleicht ist sie doch ein Ikearegal. Nur leider fehlt der passende Inbus-Schlüssel, und man hat keine Ahnung, wie man die verschiedenen Teile zusammenbauen soll.
»Wie geht’s denn jetzt weiter?«, will Luzie wissen, nachdem ich ihr einen kurzen Abriss über den gestrigen Abend gegeben habe.
»Keine Ahnung. Ich hoffe nur, dass diese einmalige Angelegenheit zwischen Ingo und mir nicht schon irgendwas kaputt gemacht hat. Ich möchte ihn wirklich nicht als Freund verlieren, aber allein das, was bis jetzt erst passiert ist, verunsichert mich total.«
»Das kann ich verstehen«, meint Luzie. »Es tut mir fast ein bisschen leid, dass ich dir so zugeredet habe.«
»Ist schon okay. War ja meine Entscheidung.«
»Tja …« Gedankenverloren greift Luzie nach einem Strauß Tulpen und beginnt, die Stiele zu beschneiden. »Sieht fast so aus, als bliebe dir wirklich nichts anderes übrig, als auf das Schicksal zu vertrauen.«
»Du mit deiner fatalistischen Grundeinstellung. Aber wahrscheinlich hast du recht.«
Gegen Mittag – ich bin gerade dabei, ein paar Gestecke für eine Taufe vorzubereiten – taucht Tante Ilse plötzlich im Laden auf.
»Hallo, Carla«, begrüßt sie mich und lächelt etwas unsicher. »Wie geht es dir?«
»Bin gerade dabei, mich von gestern einigermaßen zu erholen.«
»Können wir vielleicht etwas zusammen essen
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