Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
sagt Ilse. »Dann schlage ich vor, ihr macht weiter, wie gehabt. Tretet als Paar auf, unternehmt viel miteinander, führt Zwiegespräche und wiederholt die Streichelübung. Wenn’s geht, ohne dabei einzuschlafen. Und nächste Woche sehen wir dann, ob ihr den nächsten Schritt tun könnt.«
»Wie sähe der aus?«, will ich wissen.
»Nicht so neugierig«, meint Tante Ilse. »Das werdet ihr dann schon erfahren.«
»Spielverderberin«, maule ich.
Hand in Hand spazieren Ingo und ich nach der Sitzung zu seinem Auto. Mittlerweile fühlt es sich schon sehr selbstverständlich an, ständig Ingos Hand zu halten.
»Mal ehrlich«, beginnt Ingo das Gespräch. »Du findest meine Brust sexy?«
»Schon irgendwie.«
Er grinst. »Dabei bin ich doch so ein Spargeltarzan, der nur Schulbücher stemmt.«
Ich mustere ihn von der Seite. »Finde ich gar nicht«, widerspreche ich. »Alles genau so, wie es sein soll.«
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.«
Wir gehen weiter und ich fühle mich gerade sehr wohl. Es ist schön, so angenommen zu werden, wie man ist. Wenn man sich keine Gedanken darüber machen muss, ob man hier vielleicht zu dick, da vielleicht zu dünn oder dort vielleicht zu sonst was ist. Aber, wie ich mir in diesem Moment leider auch eingestehen muss, wahrscheinlich liegt dieses »sich wohlfühlen« einfach auch daran, dass ich in Ingo nicht verknallt bin. Denn wenn ich es wäre – dann würde ich mir natürlich ununterbrochen Gedanken darüber machen, ob ich ihm auch gefalle.
Anscheinend hat man nur die Wahl zwischen Zufriedenheit ohne große Emotionen – oder große Emotionen in Verbindung mit ständigen Selbstzweifeln, Ängsten und Sorgen. Echt beknackt.
Wir beschließen, bei mir um die Ecke noch etwas essen zu gehen. Vor zwei Wochen hat ein französisches Restaurant eröffnet, das sehr nett sein soll.
»Romantisches Dinner bei Kerzenschein«, stellt Ingo fest, als wir den Laden betreten. »So etwas machen Paare doch schließlich, oder?«
Wir suchen uns einen kleinen Tisch in einer Nische aus, der Ober bringt die Karte. Ich entscheide mich für Muscheln, Ingo nimmt ein Chateaubriand. Bei flackerndem Kerzenlicht genießen wir unser Essen und trinken dazu – natürlich! – eine gute Flasche Rotwein. Der Kellner schleicht so unauffällig wie möglich um uns herum, tatsächlich wirken wir wohl wie ein junges (oder zumindest halbjunges) verliebtes Paar.
»Was hast du eigentlich gestern Nacht geträumt?«, will Ingo plötzlich wissen, als ich gerade einen Schluck von meinem Wein genommen habe. Vor Überraschung verschlucke ich mich und spucke die rote Flüssigkeit beinahe auf den Tisch. Nur im letzten Moment gelingt es mir, sie die Kehle hinabzuwürgen.
»Wieso?«
»Du hast zwischendurch so schwer geatmet.« Also war der doch wach! Hat sich nur schlafend gestellt, der Hund!
»Ach«, meine ich, »ich hab nur eine leichte Erkältung und schlecht Luft bekommen.«
»Aha.« Ingo sieht mich kurz nachdenklich an, dann isst er schweigend weiter.
»Wirklich lecker, die Muscheln«, stelle ich fest, weil mir sonst nichts Besseres einfällt.
»Freut mich.« Er nimmt ebenfalls einen Schluck Wein.
»Muscheln …«, murmelt er dann leise.
»Die esse ich wirklich gern.«
Er nickt. »Ich weiß.«
Danach sagt keiner von uns mehr ein Wort, irgendwie ist die unbeschwerte Stimmung verflogen. Warum nur? Was ist auf einmal los? Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Wahrscheinlich sind wir beide einfach nur schrecklich müde, ist ja auch anstrengend, so eine Therapie.
Nachdem wir bezahlt haben, hilft Ingo mir in den Mantel. Dann geht er in Richtung Ausgang, und ich folge ihm. Plötzlich bleibt er abrupt stehen.
»Das ist ja eine Überraschung«, höre ich ihn sagen, bevor ich sehe, mit wem er spricht. Ich linse an ihm vorbei. An dem Tisch, vor dem er stehen geblieben ist, sitzt Andrea. Inklusive neuem Freund.
»Hallo, Ingo«, begrüßt Andrea ihn etwas unsicher. Dann deutet sie auf den jungen Mann, der ihr gegenübersitzt. »Das ist Florian.« Florian erhebt sich und schüttelt Ingos Hand.
Dann zieht Ingo mich neben sich und legt seinen Arm um mich.
»Carla kennst du ja schon«, sagt er, und Andrea nickt.
»Hallo, Carla.« Ihr ist anzumerken, dass ihr die Situation unangenehm ist. Und nicht nur ihr. Mir ebenfalls. Florian macht auch keinen wirklich entspannten Eindruck. Nur Ingo wirkt erstaunlich gelassen.
»Du bist also mein Nachfolger«, meint Ingo süffisant. Florians Gesichtszüge entgleisen
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