Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
gekauft. Wie weitsichtig, dachte sie, und mit diesem schönen Gedanken ging sie ins Bett.
Ihre Nacht war unruhig. Ständig wachte sie auf, weil sie komische Sachen träumte, konnte sich nach dem Aufwachen aber nicht mehr daran erinnern. Irgendwann stand sie auf und schloss die Balkontür, weil ihr der widersinnige Gedanke kam, jemand könnte über den Balkon zu ihr einsteigen. Zweiter Stock, dachte sie dann, das müsste ja ein Fassadenkletterer sein. Der Gedanke beruhigte sie. Und ihr Schlafzimmerfenster ging nach hinten in einen geschlossenen Innenhof, da kam keiner rein. Diese Tatsache ließ sie endgültig einschlafen.
Ihr Wecker schwieg, und nur das Gefühl, sie habe verschlafen, ließ sie hochfahren. Acht Uhr, stellte sie fest, und gleichzeitig fiel ihr ein, dass sie heute frei hatte. Ein richtiger Freitag, so wie der liebe Gott ihn genannt hatte: Frei-Tag. Cappuccino und danach weiterschlafen, fragte sie sich, oder mit dem Cappuccino unten am Briefkasten die Zeitung holen? Oder gar keinen Morgenkaffee und gleich weiterschlafen? Sie rätselte noch über ihre Prioritäten, als ihr plötzlich die Haare zu Berge standen. Die Gänsehaut lief in Schauern über ihren Körper, und sie zog im Sitzen die Bettdecke bis über ihre Brust nach oben. Dort hatte gestern noch ihr Koffer gestanden. Aber jetzt stand er nicht mehr da. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und lief suchend durch die Wohnung. Der Koffer war nirgends zu sehen. Das konnte schlichtweg nicht sein. Auf dem Absatz machte sie kehrt, ging zur Eingangstür und öffnete sie. Gab es da irgendwelche gewaltsame Spuren an der Tür? Sie untersuchte das Schloss, konnte aber nichts entdecken. Jochen? Nein, er war ohne Koffer gegangen, sie hatte ihn ja bis zur Haustür begleitet. Hatte er zwischendurch Gelegenheit gehabt, den Koffer verschwinden zu lassen? Als sie in der Küche gewesen war? Ausgeschlossen. Ein völlig hirnrissiger Gedanke. Ihre Knie zitterten. Plötzlich überfiel sie ein Gefühl der Angst, und sie hatte den Drang, unter Menschen zu kommen. Liane öffnete ihre Balkontür und setzte sich im leichten Nachthemd auf einen der morgenfeuchten Stühle.
Die Gasse war völlig leer, nur die Putzfrau kehrte die Überreste der Nacht zusammen. Liane sah ihr zu, und sie grüßte nach oben. »Guten Morgen!« Liane mochte sie, sie hatte das freundliche Wesen aller Thailänderinnen. Heute grüßte Liane nur wortkarg zurück.
»Noch kein Kaffee?«, fragte sie von unten.
»Nein, noch nicht!«, rief Liane und zwang sich zu einem Lächeln. »Aber gleich.«
Und in dieser Sekunde wusste sie es, und sie spürte erneut eine Gänsehaut über ihren Rücken laufen. Sie hatte sich gestern nicht verhört. Er hatte die Haustür hinter sich zugezogen. Wer immer es gewesen war, dieser Mensch war da gewesen, hier in ihrer Wohnung. Sie hatte nur Glück gehabt, dass sie nicht gleich in ihr Schlafzimmer gegangen war. Bei diesem Gedanken wurde ihr fast übel.
Also waren sie hinter ihr her, hatten die Fotos im Koffer vermutet. Aber da sie sie nicht gefunden hatten, würden sie wiederkommen!
Wo hatte sie ihr Handy? Jetzt zitterte sie wieder. Und wo würde sie die nächsten Tage bleiben können? Hier war sie nicht mehr sicher. Sollte sie zur Polizei gehen?
Komm, beherrsch dich, mahnte sie sich zur Ruhe. Doch es war wie ein Fieber, wie ein Schüttelfrost, der ihre Finger zittern ließ.
Sie stand auf und ging in die Küche, um sich einen Cappuccino zu machen. Vielleicht beruhigte ja dieses kleine Ritual.
Mit der Tasse in der Hand suchte sie ihr Handy und setzte sich wieder auf den Balkon. Von Minute zu Minute wurde es wärmer. Der Tau, der sich feucht auf die Stühle und den Tisch gelegt hatte, trocknete rasch. Aber Liane war es egal, ob es kalt oder warm war, ob sie mit ihrem Nachthemd auf einem feuchten oder trockenen Stuhl saß, das bekam sie alles nicht mit. Sie fingerte an Riley eine SMS zurecht: »Riley, ich hatte heute Nacht Besuch. Du auch? Mein Koffer ist weg. Kiss Liane.« Kiss Liane, dachte sie. Der Kiss war so weit weg wie der Mond.
»Meine Umweltorganisation hat die Bilder in Verwahrung. Ich werde mich nicht selbst bereichern, ich werde für die gute Sache kämpfen J«, kam seine Antwort sofort zurück.
»Wer ist deine Umweltorganisation?«, schrieb sie mit drei Fragezeichen zurück.
»Handy? Telefon? Mail? No chance. Ich flüstere dir das höchstens ins Ohr!«
Au, verdammt, dachte Liane. Er glaubt, dass er abgehört wird. Und recht hat er, überlegte sie.
»Sie
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