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Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können

Titel: Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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das Lokal verlassen. Es ließ sich, wenn wir alleine waren, nicht mehr verbergen: Wir waren miteinander kreuzunglücklich.
    Dann kam der Abend, an dem wir – weiß der Himmel, warum – über einen Urlaub in Mexiko sprachen. Für uns völlig hypothetisch, da mit Simon jede Art von Urlaub, die über einen Halbtagsausflug hinausging, ausgeschlossen war. Er ertrug fremde Umgebungen nun einmal nicht. Ich war gegen Mexiko, allein schon der Gefahr wegen, von Rebellen oder der Drogenmafia gekidnappt zu werden. Er meinte beiläufig: »Na und, dann hätte man wenigstens mal seine Ruhe.« Er meinte es ernst.
    Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, fiel mir ein, dass ich am selben Tag einen kurzen Spaziergang im Wald gemacht hatte und dabei zweimal kurz hintereinander vom selben Mann überholt worden war. Mir war das unheimlich. Was, dachte ich, wenn der dich jetzt verfolgt und überfällt? Der nächste Gedanke, der mir kam, war: Auch schon egal.
    Mein Mann und ich teilten offensichtlich ein ganz bestimmtes Lebensgefühl. Aber mit diesem Gefühl ließ es sich einfach nicht leben.
    An jenem Abend trank ich mit dem dritten Caipirinha mehr als zu viel für meine Verhältnisse. Ich verbrachte eine elende Nacht im Bad, auf dem Boden vor der Toilette, und dachte, dass ich zugrunde gehen würde, wenn ich so weitermachte. Ich konnte vielleicht nicht mehrere Leben führen, aber ich wollte zumindest dieses hier überleben.
    Am nächsten Tag zog ich ein rotes Kleid an, das mir gerade noch so passte, dazu schwarze Stiefel. Und ich nahm meinen Ehering ab. Nach fünfzehn Jahren Ehe. Eine unklare Anzahl davon hatte den Namen wohl nicht verdient, aber solche Dinge zeigen sich immer erst im Rückblick; man ist beschäftigt, mit den Kindern, dem Alltag, damit, die Probleme zu beheben im Rahmen dessen, was man fest und unverbrüchlich als seine Beziehung betrachtet, nicht als etwas Fakultatives und gewiss nicht als eine Sache, die je enden könnte.
    Als »Krise und Neuanfang« bezeichnet man, was sich im Nachhinein abzeichnet als Spirale aus Elend und blanker Erschöpfung, gepaart mit Wunschdenken und Angst vor der Zukunft. Wie lange hatte ich mich an dem Satz festgehalten: »Meine Kinder werden keine Scheidungskinder.« Ich hütete mich vor den falschen Glücksversprechungen der Freiheit, dachte ich, klüger als andere, so meinte ich, und steckte meine Energie in das, was mein Unglück war.
    Als es vorüber war, habe ich tagelang getanzt. Noch etwas unsicher während der ersten Momente, als ich meinen rechten Ringfinger betrachtete, der – für kundige Augen erkennbar – die charakteristische Kerbe aufwies. Seltsam vage fühlte sich die stumm getroffene Entscheidung an, unwirklich. Die ersten Abende lag ich im Bett und starrte stundenlang diesen Finger an. Ich fühlte mich wie jemand, der auf einem Floß ausgesetzt worden ist und sich gerade fragt, ob er ein Segelhandbuch dabeihat.
    Mein Mann hatte nichts bemerkt.
    Als ich es ihm mitteilte, kam von ihm nur eine unverbindliche Reaktion: »Danke, dass du es mir gesagt hast.«
    Ich hatte nichts anderes erwartet. Mir war klar gewesen, er würde nicht trauern, hadern oder streiten, jedenfalls nicht sichtbar nach außen. Das war nicht seine Art und machte mir natürlich vieles leichter. Es gab immer mehr Augenblicke, in denen ich nicht nur den Ring, sondern auch ihn komplett vergaß. Richtig gemütlich wurden die Abende, an denen er neuerdings nicht da war, weil er auszugehen begann. Auf einmal konnte ich mich trotz Simon entspannen. Ich begann, mich auf eine eigene Wohnung zu freuen.
    Geplant war zunächst, weiter im alten Haus getrennt zusammenzuleben, mir genügte das aber sehr schnell nicht mehr. Ich sehnte mich nach sichtbaren Zeichen, die darüber hinausgingen, dass ich morgens, wenn alle aus dem Haus waren, die Musik laut stellte und tanzte, bis mir der Schweiß hinunterlief. Die darüber hinausgingen, dass ich Stück für Stück die ersten zehn Kilo von meinem verfluchten Übergewicht verlor, dass ich mein Antidepressivum reduzierte, mit Freundinnen telefonierte, heimlich, wie ein verliebter Backfisch.
    Eine Weile machte das Doppelleben Spaß, dann begann ich, im Internet den Wohnungsmarkt zu durchforsten. Zur Einübung, sagte ich mir, zur Gewöhnung an die neue Situation des Suchens. Um wieder zu lernen, alleine aufzutreten, die richtigen Fragen zu

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