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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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er neben ihr, auf der Decke, unter der sie lag, sog die klare Waldluft ein, hackte Holz, genoß unrasiert die geruhsamen Tage, wenn es draußen stürmte. Im Kamin knisterten die Buchenscheite. Sie brachte den Tee, nahm ihm mit unendlich wohlmeinendem Blick den Wirtschaftsteil der Zeitung aus der Hand und warf ihn ins Feuer. Sie wanderten viel. Abends brannte sein Gesicht von Sonne und Wind. Er griff in ihren Cremetiegel, nährte die Haut und wischte das Fett mit einem weichen Papier wieder ab.
    »Sag mal, sind Männer immer so schmutzig?«
    »Es gibt reinlichere Geschöpfe.«
    Er kroch zu ihr in die warme, weiche Vertrautheit, schnurrte während sie sich zurechtkuschelten. Es wurde still. Er lag auf ihrer Schulter, angeschmiegt wie ein Formetui, daß er ihren Herzschlag fühlte, fünfundachtzig etwa, vielleicht sogar neunzig. Sie atmete aus, hörbar und lange, sehr lange. Hatte sie die Broschüre über autogenes Training gelesen? Natürlich. Auch das war ihre Idee gewesen. Der Ballen ihres Fußes hob von seiner großen Zehe ab. Wieder Ausatmen. Ihr Herzschlag war nicht mehr zu fühlen.
    »Ich habe auch einen Wunsch!« sagte er mit schelmischem Unterton. »Heute abend überkam es mich. Einmal da droben stehen, dachte ich, und einen Ton in den Saal schmettern, daß die Lüster klirren. Baß natürlich, Baß. So wie der Gurnemanz!« Er hatte sich aufgesetzt. »Was ist? Warum lachst du?«
    »Ich versuche dich mir als Gurnemanz vorzustellen, sehe dich auf der Bühne. Du stehst da, im Wams, singst und wackelst mit dem Kopf.«
    »Wer singt, muß den Kopf bewegen, Liebes! Das weiß jedes Kind. Und dastehen! Wie ein Mann. Mit mimischer Beteiligung. Jawohl! Wenn das nicht Kunst ist, dann verstehst du eben nichts. Es stimmt durchaus nicht alles, was du findest. Dein Pirat vom Fasching, zum Beispiel, netter Mann, aber von Betriebspsychologie...«
    Er fand sich neben dem Bett stehend, mit hochgezogenen Brauen, gleichsam auf der Bühne des Nationaltheaters, winkte mit beiden Händen theatralisch ab und stürmte raumgreifenden Schrittes zur Tür.
    Was für ein Abgang.
    Nebenan, die Geierklaue am Hals, wälzte sich alsbald Gurnemanz auf kargem Lager, urgewaltig, doch ohne Schlaf. Sein Puls dröhnt in den Ohren, Herzstiche und Atembeschwerden treiben ihn durchs dräuende Dunkel, zurück in die warme, weiche Vertrautheit.
    »Entschuldige meine Aggression.«
    »Es ist gut, Gurnemänzchen.«
    Sie strich über sein Gesicht, er rollte sich auf die Seite und schlief ihr unter der Hand ein. In unbequemer Stützlage hielt sie still, frierend, stand schließlich auf, um sich nebenan seine Decke zu holen, die Herkules verteidigte, bis es ihr gelang, ihn mit einem Hundekuchen zu überlisten, wofür sie eigens in die Küche hinunterlaufen mußte, schloß eilig die Tür, kroch ins Bett, wälzte unter großer Anstrengung den Baß etappenweise vom Rücken auf die Seite, wo er weniger urgewaltig schnarchte, und lag wach bis zum Morgen.

    Ob im Bett seiner Frau, von Hilde umhegt auf dem Ledersofa in seinem Büro oder auf der Patientencouch in dem schmalen Gartenhaus am Stadtrand — wo immer er sich im Beisein eines Vertrauten ausstreckt, schläft er umgehend ein.
    Der Doktor hat das weiße Frotteetuch für den Kopf mit einer grünen Wäscheklammer gekennzeichnet und hält es im Schrank für Dauerpatienten bereit. Neurotische Laufkundschaft bekommt nur Kreppapier von der Rolle. Sichtbare Hygiene versteht sich für Kundendienst im Unterbewußten von selbst. Ein Mensch, der sein inneres Chaos zu erkennen beginnt, reagiert bei gefälligem Service zutraulicher. Ordnung verspricht Halt.
    Der Doktor hat Rechnungen geschrieben und weckt ihn. Herkules, diesmal wieder dabei, schläft weiter. Pajard vom Grill mit Reis und Tomatensoße im holzgetäfelten Restaurant der Aufsichtsräte verabreicht, hinterher noch ein Rest Apfelstrudel aus der Kristallschale auf Herrchens Schoß, haben seine Wachsamkeit beeinträchtigt.
    »Ach Doktor! Ich schlafe gern bei Ihnen! Habe heute nacht wieder kein Auge zugetan. Meine Frau behauptet zwar das Gegenteil — sie saß noch ein halbes Stündchen an meinem Bett, weil ich ihr den Parsifal erklärte.«
    Über dem Bücherstapel begegnen sich ihre Blicke.
    »Wollen Sie einmal versuchen, zu beschreiben, was Sie beschäftigt, wenn Sie nachts nicht schlafen können?«
    Herkules hebt den Kopf, als habe ihn Herrchens Mißtrauen geweckt.
    »Sie machen aber keine Psychoanalyse?«
    Beruhigendes Kopfschütteln. An sich genüge ein Kolleg

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