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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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sie zu jung. Er entwirft einen Brief, streicht Gefühlsmomente, die sich eingeschlichen haben, heraus, schreibt ihn zum Bericht um, indem er die erste durch die dritte Person ersetzt, streicht den Bericht zur Meldung zusammen, die er verfremdet und weiter kürzt.
    Dann liest er.
    Unterwegs schwieriger als erwartet. Telefonüberwachung, wenig Ausweichmöglichkeit. Besorgt, weil gewünschter Teilnehmer nie anzutreffen ist. Versuche werden fortgesetzt. Erwartetes hoffentlich eingetroffen. Es geht alles vorüber. Parole: In Treue fest! Ehrenbezeigung auf gewohnte Weise. Gezeichnet Unterschrift.
    Obwohl Babette sich die näheren Umstände zusammenreimen würde, fühlt er, daß es so nicht geht, doch die Zeit drängt, Unsinn scheint ihm besser als gar nichts, er frankiert den Brief und wirft ihn ein.
    Ach ja!
    Schon von weitem, auf dem Zickzackweg hinunter zu den Faraglioni, sah er die beiden, winkte ihnen an den Wegbiegungen zu, wurde aber nicht bemerkt. Sie waren die einzigen Badegäste, lagen in der Sonne, einander zugewandt, die Köpfe in die Hände gestützt. Ein Ferienplakat. Die Kopfschmerzen setzten ihre Arbeit fort, ein Ziehen, wie Gedankenrheuma. Dabei könnte alles so schön sein. Seine Frau genoß es. Er sah hinunter, sah den Meraner etwas beschreiben mit großen Gesten, wozu sie spontan nickte. Er wollte rufen, unterließ es aber, kam näher, noch immer unbemerkt, sah den Meraner aufstehen, muskulöser als im Anzug vermutet, die Hand ausstrecken nach seiner Frau, sie hochziehen. Noch nie hatte er sie so herzlich lachen gehört. Er stolperte, tat sich weh, mußte auf den Weg achten. Bis er den Liegeplatz erreichte, waren die beiden im Wasser.
    Der muskulöse Meraner rief ihm ein guten Morgen zu, drehte sich um und schwamm hinaus. Mit seiner Frau. Bei den Badehäuschen zog er sich aus, den Bauch ein, federte ins Meer und wunderte sich, daß seine wasserscheue Frau bei dieser Temperatur nicht am Strand geblieben war. Sein Versuch, die beiden einzuholen, endete mit Herzstechen. Am Strand Keuchen, Warten, Gänsehaut, Tatsachen:
    »Ihre Frau und ich haben beschlossen, daß Sie auf der Rückreise einen Abstecher nach Meran machen. Was halten Sie davon?«
    Er überdenkt die bessere Telefonverbindung, die Gelegenheit früher hier wegzukommen.
    Seine Frau schwelgt in Abwechslungen. Wie schön, daß er zustimme, wie vernünftig, daß er ihnen nicht nachgeschwommen sei, bei seiner labilen Gesundheit, wie herrlich erfrischt sie sich fühle, noch nie habe sie sich so weit hinaus gewagt und wie gespannt sie auf Meran sei. Ihr Gastgeber besitze ein Schloß mit rotweißen Läden und tiefen Fensternischen, wofür sie schon immer eine Schwäche gehabt habe, außerdem Pferde, eine Orchideenzucht sowie eine Gemäldesammlung von Impressionisten und Naiven.
    Sie gingen zu den Kabinen, über die stimulierende Wirkung des jodhaltigen Meerwassers scherzend. Der Gatte folgte ihnen, betrachtete seine Frau, fand ihre Beine hübsch, noch immer kein Kräuselkrepp an den Oberschenkeln. Die Füße des Meraners mißfielen ihm außerordentlich, desgleichen seine Art, sie mit Ortskenntnis zu bevormunden.
    »Wir sollten nach Marina Piccola gehen. Dort gibt es eine köstliche Sogliole.«
    Sofortige Zustimmung aus ihrer Kabine. Wie entlockt er ihr dieses Jauchzen? Seit wann mag sie Seezunge? Wieso ist sie nicht müde? Sie weiß doch, wie weit das ist! Unterwegs gab er Kopfschmerzen bekannt.
    »Denk nicht dran! Atme tief! Oder willst du zurück und dich hinlegen?«
    Der Gatte entschloß sich, tief zu atmen, hob und senkte die Arme. Der Meraner kritisierte ihn, gebärdete sich als Atemfachmann. Das gefiel seiner Frau. Bis es dem Gatten gelang, den heiteren Dialog zu unterbrechen: er wurde politisch. Jetzt schwieg sie, ließ die Männer reden. Allein der Meraner zeigte nur mäßiges Interesse für dynamischen Führungsstil und institutionelle Verklammerungen, lächelte seiner Frau zu und beendete das Thema.
    »Jedes Jahrhundert hat seine Seuchen. Wir haben das Auto und den Sozialismus. Und als Folge von beiden schlechte Manieren. Ich mochte nicht mehr! Für wen sollte ich mich ärgern? Ich bin Junggeselle und habe keine Kinder...« Übergangslos nahm er den heiteren Dialog mit seiner Frau wieder auf, bestellte im Restaurant auf italienisch, obwohl die Besitzerin Engländerin war und recht gut Deutsch verstand. Auch seine Frau bestellte mit klingenden Vokabeln und rollendem >R<. Der Gatte saß dabei, lief nebenher, betonte sein Kopfweh, das offenbar

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