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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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mal di testa hieß, faßte seine Frau am Arm, was auch der Meraner tat. Immer wieder entglitten sie ihm ins Italienische, nicht ohne darauf hinzuweisen, wie nützlich es sei, die Landessprache zu beherrschen, zumal eine so schöne, weil einem doch viel entgehe, atmosphärisch vor allem.
    Ein Versuch, sich in Gedanken an Babette zurückzuziehen, erweist sich als Umsteigen von einer Isolierung auf die andere. Die kleine Drehung, die den Augenblick verwandelt — bei der Fröhlichkeit seiner Frau kann er sie nicht vollziehen. Gerade hat sie den Meraner eingeladen, recht bald nach München zu kommen, diesen Mann, der sich Paul nennt und sie noch auf dem Hotelkorridor mit seiner Regie bevormundet.
    »Wir werden jetzt ein paar Stunden ruhen. Ihr Mann sieht doch angegriffen aus. Heute abend sind Sie meine Gäste.« Seine Frau war einverstanden. Er genoß es, zwei Türen hinter sich schließen zu können und gleich darauf noch die des Badezimmers, wohin es ihn seit Marina Piccola drängte. Als er nach längerem Verweilen zurückkam, schwang seine Frau noch nach.
    »Ein besonders netter Mann! Sehr musisch. Findest du nicht auch? Bin gespannt, ob er so lebt, wie ich’s mir vorstelle.«
    Er legte sich neben sie.
    »Eigentlich könntest du mich einmal fragen, wie’s mir geht!«
    »Das sehe ich ja! Du bist überanstrengt. Du solltest vorsichtiger sein in deinem Alter. Paul hat es auch gesagt.« Eheschweigen, paralleles Zur-Decke-Starren. Seine Frau erschrak, als seine Hand nach ihr tastete.
    »Was ist denn? Ach so. Dein Puls ist in Ordnung. Was soll ich denn mit dem zweiten Puls? Denkst du, links schlägt er öfter als rechts? Warum lachst du?«
    Er solle sich nicht unterstehen, noch einen dritten Puls anzubringen, scherzte sie, um ihn abzulenken, schob aufkommende Gefühle gleichsam mit den Händen von sich.
    Dann sind sie Ehepaar: linkisch-selbstsicher und duldsamgenießend, einen Augenblick lang. Den Kopf an ihrer Schulter, verharrt er in unbequemer Stützlage, denkt an Babette, an die tanzenden Mädchen auf dem Floß, an Stephanie, sein Kleines.
    »Quäl dich nicht«, sagt seine Frau.
    Im Spiegel sieht er sich, durchatmen auf allen vieren; überlegt.
    »Du hattest recht. Es ist eine Erkältung. Ich hätte nicht ins Wasser dürfen. Jetzt spür ich’s.«
    Ihre Hand streicht über seinen Kopf, mütterlich und wegschiebend.
    »Es ist immer gut, wenn man weiß, woran man ist.«
    Lange bleibt er im Bad, läßt Wasser in die Wanne laufen als Geräuschkulisse.
    Ach ja
    Der Meraner erwies sich als erfahrener Gastgeber. Er schlug Menüfolgen vor, erklärte die Zusammensetzung von unbekannten Spezialitäten, scherzte, nahm beiläufige Anmerkungen als Stichworte für Geschichten. Obwohl das Telefon neben den Toiletten, das heißt außer Hörweite installiert war, blieb der Gatte am Tisch, ein freundlicher Zuhörer, Grissini knabbernd wie seine Frau. Der Meraner sagte, daß er Paul heiße und legeren Umgangston schätze, flocht Italienisches ein. Sie aber schien die Lust an dem Spiel verloren zu haben, und antwortete deutsch. Sie waren die einzigen Gäste. Als der Wirt die Teller abräumte, gähnte der Gatte. Pauls Gute-Nacht-Wunsch auf dem Hotelkorridor klang heiser. Was von dem herbstlichen Badetag blieb, war ein Händedruck im Bette, als wollten sie einander versprechen, auch weiterhin eine höfliche Ehe zu führen.

    Der große, häßliche Raum im Souterrain des verwohnten Schwabinger Mietshauses barst vor Menschen. Alle waren sie jung. Und alle nackt. Zuerst wollte Babette weglaufen, umklammerte den Arm des Mädchens, das sie hierher gebracht hatte, >...zu einer Party, nicht so langweilig wie die meisten...<, stand angewidert von den beiden Jünglingen, die ihnen geöffnet hatten, ohne ihre Zärtlichkeiten zu unterbrechen, sah doch hinein in das Gewimmel. Ekel und Neugier, kochender Rhythmus, süßlicher Rauch, die imposante Zügellosigkeit lösten in ihr einen neuartigen Reiz aus, ein Gefühl der Gänsehaut nach innen, schwach anfangs, doch immer mächtiger werdend, je unwirklicher ihr das Geschaute erschien.
    Solche Parties waren Mode. Man müsse das mal erlebt haben, sagten die Mädchen in der Schule.
    Ein fetter, bärtiger Kerl packte sie am Kinn, steckte ihr ein feuchtes Stück Würfelzucker zwischen die Lippen. Babette mußte husten, fühlte Hände, die sie betasteten, sie auszogen, kommentarlos. Sie ließ geschehen, sah in ein lächelndes Gesicht, das vor dem ihren stand, wie geparkt. Sich hier schamhaft zu gebärden wäre

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