Ich liebe mich
mit dem Lift hinaufgefahren, hat aufgeschlossen: Licht brennt, Schranktüren stehen offen, Kleidungsstücke liegen herum. Auf dem ungemachten Bett steht eine Handtasche offen. Sein Brief ist darin, Studentenausweis, Lippenstift, Puderdose, Augenbrauenstift, Parfümzerstäuber, ein Scheckbuch, Rolle Pfefferminz, ein sanitäres Päckchen. Angebrochen.
Gott sei Dank
Er kramt weiter: Taschentuch, zwei Kinokarten, eine Packung Pillen zur Empfängnisverhütung. Geöffnet.
Sie erwartet mich Auf dem Konsoltisch in der Diele liegt Post: Telefonrechnung, eine Anzeige wegen falschen Parkens, eine vorgedruckte Einladung zu einer Ausstellung und auf einem Oktoberfesthütchen, ungeöffnet, sein Telegramm. Eng wird ihm in dem Nestchen und heiß. Hier kann er nicht auf sie warten. Mit dem Lift fährt er hinunter. Draußen nieselt es und ist entschieden zu kalt. An sich sollte er lange Unterhosen tragen. Wenn ihn die Scheinwerfer vorbeifahrender Wagen erfassen, wendet er sich ab, damit es nicht aussehe, als warte er. Dadurch sieht es so aus. Er ist das nicht gewohnt, hat verlernt, arglos auf und ab zu gehen. Er fröstelt. Nicht einmal einen Hut hat er mitgenommen. Die sogenannte Erkältung meldet sich. Im Hof findet er einen geeigneten Platz, neben der Garage.
Ach ja — sie fühlt sich einsam in der Wohnung — wahrscheinlich ist sie im Kino — wenn sie jetzt reinfährt, steh ich genau im Scheinwerfer — keine Pose für ein Wiedersehn
Er wechselt über in eine andere Ecke und wartet geduldig, bis der Erfolg sich einstellt. Das Bullern eines starken Motors macht ihn stutzig. Im Eilschritt geht er durch die Toreinfahrt zur Straße zurück, entdeckt eine Schweizer Nummer, bevor die Lichter verlöschen. Noch ein potentes Bullern — die PS-Neurose steht. Aus der Luke hinter der langen Motorhaube schälen sich Beine, ein Ärmel eines Kamelhaarmantels und mit der Zeitlupengeschmeidigkeit des Raumfahrers Schultern und Kopf eines Mannes von fortgeschrittener Jugend. Groß ist er, sehr schlank, cowboyhaft sein Gang. Blickt auf die Uhr, dann nach oben, als interessiere ihn, trotz Dunkelheit, die Baukastenarchitektur des Blocks.
Wie Übereifrige, die sich viel zu früh auf dem Bahnsteig eingefunden haben, schlenderten sie aneinander vorbei, hin und her, kreuz und quer, jeder, als wäre er völlig alleine, gingen auseinander, drehten sich auf Motorgeräusch ruckartig um, strebten aufeinander zu, im Gleichschritt, entschlossen, dem andern nicht auszuweichen, um es im letzten Augenblick gleichzeitig zu tun; Entschuldigung lächelnd für ihre Versonnenheit, fanden sich zu anonymer Bekanntschaft, als der Mann Feuer suchte, nickten einander zu, um sich fortan wieder nicht zu kennen. Endlich ein Bullern, zarter, damenhafter sozusagen.
Der Mann mit dem Kamelhaarmantel steht günstiger, öffnet die Tür und begrüßt die Aussteigende mit Handkuß. Babette.
Er zögert noch. Die beiden gehen zum Eingang. Da tritt er hinzu, hört sich >Kleines< sagen und kommt sich albern vor.
Babette reagiert unbefangen: Ach er sei schon zurück! Ja so was!, macht die Herren miteinander bekannt, wobei sie ihn als ihren Onkel vorstellt. Sie verabschiedet den Mann, den sie Bob nennt, dankt für sein Kommen, er möge sie morgen anrufen. Der Mann geht. Doch im Lift, wo das eigentliche Wiedersehen hätte stattfinden müssen, steht er zwischen ihnen.
»Wer war das?«
»Ach niemand. Seine Schwester ist bei mir auf der Schule.«
Er schließt auf, leitet die unbefriedigende Antwort ab, indem er ihre Unordnung rügt. Seine Rolle mißfällt ihm. Babette gibt zurück, tadelt ihn als säumigen Telefonierer und konfusen Briefschreiber, wirft herumliegende Sachen in den Schrank, sagt ihm, er solle übersehen, was ihn störe, und verschwindet ohne Zärtlichkeit ins Bad.
Unschlüssig steht er im Zimmer, will ihr nach, sie umarmen, will Klarheit. Sie kommt zurück, er kann nicht sprechen, greift nach ihr, drückt sein Gesicht an ihren Hals, hält sich fest, wartet auf eine Zärtlichkeit, die ausbleibt.
»Mein Telegramm! Du hast es nicht einmal aufgemacht!«
»Ich war unterwegs, hab viel zu arbeiten. Wie war’s bei euch? Erzähle.«
Ihre Stimme klingt liebevoll, wenn auch nicht ausreichend. Er füllt zwei Gläser, kommt nicht zum Anstoßen. Er hat ihr nichts mitgebracht, fällt ihm ein, er berichtet wenig amüsant, gleichzeitig Fragen sammelnd, die er ihr stellen will. Babette ist dabei, Unnützes aufzuräumen — Erzähl ruhig weiter! Ich hör dir zu — bis sie ihn
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