Ich mach mir Sorgen, Mama
kann, auf Mädels sei dagegen immer Verlass. Sie unterrichtet uns auch über die richtige Zahnpflege, über die Schädlichkeit des Rauchens und die Regeln des Straßenverkehrs. Ihr jüngerer Bruder, der noch im Vorschulalter ist, sträubt sich dagegen, fremdes Wissen anzunehmen. Er entwickelt sich auf eigene Faust – hauptsächlich mit Disney-Filmen sowie Außerirdischen- und Dinosaurier-Malheften. Die täglichen Quiz-Shows, die meine Frau mit ihm in der Küche veranstaltet, um sein Wissen über die Welt zu mehren, haben bis jetzt nichts genutzt.
»Sag mal, Sebastian, was bringen uns die Hühnchen?«
»Fell«, sagt Sebastian.
»Red keinen Quatsch, Sebastian. Hühnchen bringen uns Eier.«
»Okay. Eier«, nickt Sebastian.
»Die Kühe bringen Milch, die Schafe – Fell. Und jetzt konzentrier dich! Was bringen die Hühnchen?«
»Eier.«
»Die Kühe?«
»Eier.«
»Die Schafe?«
»Eier.«
»Überleg doch mal!«
Sebastian tut so, als würde er überlegen. Im Geist hatte er schon längst all diese Kühe und Eier zu einem Omelett zerhackt. Ihm ist ganz egal, wo sie herkommen.
»Das geht so nicht weiter«, meinte meine Frau zu mir. »Mich nimmt er nicht ernst. Du musst mit ihm reden. Mit vier Jahren muss das Kind Neugier entwickeln, er muss mehr über die Welt erfahren«, wiederholte sie immer wieder. »Er muss mehr über die Welt erfahren – mehr!«
»In Ordnung, ich übernehme das«, sagte ich und schloss mich mit Sebastian im Kinderzimmer ein. Ich beschloss, bei der Weltwissensvermittlung die altbewährte Armeemethode anzuwenden. Damit wurden uns Soldaten zum Beispiel völlig überflüssige Kenntnisse über amerikanische Tiefflieger eingetrichtert. Einfach nur durch tausendfache Wiederholung und direkten Augenkontakt. Unser Fähnrich hatte immer behauptet, dass man auf diese Weise selbst aus einem doofen Kaninchen einen Akademiker machen könnte, wenn man es nur konsequent und lange genug betrieb. Bei mir hat es gut funktioniert. Vieles aus der Zeit habe ich vergessen, aber die Anzahl der Bomben in einer B52 ist für immer in meinem Kopf hängen geblieben. Diese Zahl spiegelte sich in den durchsichtigen Augen des Fähnrichs, als er uns anbrüllte: »Alarmstufe rot, drei feindliche Flugzeuge sind im Anflug auf unsere Position, Entfernung sechshundert Kilometer! Wie viele Bomben? Wie viele Bomben?«
»Also, Sebastian«, sagte ich zu meinem Sohn, »wir fangen nun bei den Hühnern an, und ehe du aus diesem Zimmer gehst, bist du ein weiser Mann.«
Ich stellte ihn in Reihe und Glied auf.
»Alarmstufe rot, feindliche Hühner sind im Anflug auf unsere Position, was bringen die Hühner?«
»Eier!«
Nächster Alarm: »Feindliche Kühe sind im Anflug auf unsere Position.«
»Milch!«
»Schafe?«
»Fell.«
»Hühner?«
»Eier!«
»Bären?«
»Fell!«
Ob Bären wirklich Fell bringen?, überlegte ich. Also ungern, unfreiwillig, nur wenn sie von Jägern dazu gezwungen werden.
»Und was bringen die Jäger?«, fragte Sebastian.
Eier? Nein, ganz sicher nicht. Jäger bringen eigentlich nichts. Manchmal ein paar Enten, aber definitiv keine Eier. Kein Mensch braucht ihre Eier. Also noch einmal:
»Kühe?«
»Milch!«
»Jäger?«
»Enten!«
»Katzen?«
»Fell!«
Meine Lehrmethode schien gut zu funktionieren. Sebastians Welt kam in Bewegung, plötzlich brachten alle irgendetwas irgendwohin.
»Und was bringen die Menschen?«, fragte er mich.
»Die Menschen bringen gar nichts, sie passen nur auf alle auf, damit alles gut läuft«, erklärte ich. »Sie ermöglichen den Hühnern zu nisten, sie melken die Kühe und helfen dem Bären mit dem Fell. Sie lagern alles, zählen nach und essen es auf. Sie sind die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, die wirklich Bescheid wissen, wie es läuft. Und dieses Wissen hast du jetzt auch, mein Sohn. Oder? Was bringen die Hühnchen?«
»Die Hühnchen bringen Hündchen!«, antwortete Sebastian stolz.
Ich gab nicht auf.
Service-Mentalität
In dem berühmtesten russischen Theaterstück Verstand schafft Leiden von Gribojedow, das noch heute in allen Schulen meiner Heimat als scharfe »Kritik an den verruchten Sitten der Monarchie« geschätzt und gelehrt wird, sagt der Held einen Satz, der zu einem Sprichwort geworden ist. Als ein alter General ihn kritisiert: »Sie haben doch überhaupt nichts zu tun und meckern nur ständig herum – warum gehen Sie nicht und dienen dem Staat?«, antwortet Tschatskij: »Zu dienen wäre ich froh, aber bedienen kotzt mich an.«
Mit diesem
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