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Ich mach mir Sorgen, Mama

Titel: Ich mach mir Sorgen, Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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auf alle Fälle der ›Wir-fahren-nach-Hause-Tag‹. Dann werden wir uns von diesem Urlaub erst mal richtig erholen.«

Salsa für meinen Vater
    »Wann gehen wir endlich wieder zu Oma und Opa?«, drängten uns die Kinder.
    »Heute bestimmt nicht, vielleicht am Wochenende«, antworteten wir. »Und überhaupt, warum wollt ihr plötzlich zu Oma und Opa, was haben sie euch für ein Kulturprogramm anzubieten?«
    »Opa hatte letztes Mal gesagt, er will mit uns eine Mausefalle im Badezimmer bauen. Das letzte Mal haben wir eine in Omas Schlafzimmer gebaut, eine riesengroße, und Oma hat sie weggeschmissen. Dann hat Opa geschrien.« Nicole rollte mit den Augen und rief mit Opas Stimme: »Verdammte Scheiße! Wo hast du, verdammte Scheiße, meine Mausefalle versteckt?«
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, stöhnte meine Frau.
    »Doch, doch«, meinte Nicole. »Und Oma sagt dann immer zu ihm: ›Viktor, wie kannst du so mit mir reden?‹ Außerdem hat Opa mit Sebastian Werbung geguckt, wie ein Mann aus einer grünen Flasche trinkt und dann umfällt. Und danach hat Opa Sebastian das Rülpsen beigebracht. Er hat immer gesagt: ›Guck mal, Sebastian!‹, und hat ganz laut gerülpst.«
    »Also, ich glaube euch kein Wort«, verteidigte ich meinen Vater.
    »Ich schon«, bemerkte meine Frau dazu. »So wie ich deinen Vater kenne … An deiner Stelle würde ich sofort zu ihm gehen und das klären.«
    Aber das Wetter war zu schön, und ich hatte überhaupt keine Lust auf Erziehungsgespräche mit meinem Vater. An einem dunklen Winterabend, mit einem Glas Whiskey und einer Zigarre vor dem Kamin tun sie den Beteiligten vielleicht gut, aber nicht, wenn die Sonne scheint.
    »Respektiere bitte sein Alter«, entgegnete ich.
    »Mein Vater ist immerhin schon siebzig!«
    »Ich habe durchaus Respekt vor dem Alter, er aber offensichtlich nicht«, meinte meine Frau. »Wie kann er sich in Anwesenheit der Kinder so verhalten! Ich habe den Kindern das Fernsehen für Erwachsene verboten. Und was soll das mit dem Rülpsen? Diese Art Bildung können wir nicht gebrauchen! Du musst mit ihm einfach darüber reden.«
    Also rief ich meinen Vater an und verabredete mich mit ihm zu einem ernsthaften Gespräch.
    Wir trafen uns in seiner Küche.
    »Hallo«, sagte ich, »wie geht’s denn so?«
    »Alles Scheiße«, sagte er. »Früher wusste ich, wofür es sich zu leben lohnt – Sex, Sport, Sauna. Alles, was Spaß macht, darf ich jetzt nur noch einmal die Woche und nur auf Verschreibung des Arztes. Einmal Sex, einmal Sport, einmal Saufen. Ich meine Sauna. Das bringt alles nichts. Wahrscheinlich werde ich trotzdem sterben. Willst du Tee? Wo sind nur die Tassen, verdammte Scheiße?« Mein Vater lief in der Küche hin und her.
    »Es gibt doch andere Sachen, die Spaß machen, Papa. Kultur zum Beispiel, ins Theater gehen oder Bücher lesen …«, sagte ich.
    »Genau«, meinte mein Vater. »Ich bin stolz auf dich, mein Junge, dass du so verdammt kulturell bist. Kultur ist eine tolle Sache. Habe ich dir beigebracht. Kennst du die Kulturbrauerei? Ich habe mich dort für einen Salsa-Kurs eingeschrieben. Da kommen manchmal Frauen mit solchen Möpsen, das glaubst du nicht. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei … Kannst du mir Salsa-Musik auf Kassette überspielen? Damit ich auch zu Hause üben kann?«
    »Mache ich, versprochen. Du musst mir aber auch was versprechen«, sagte ich. »Wenn du zum Beispiel mit kleinen Kindern spielst …«
    »Schon verstanden«, nickte mein Vater. Er suchte immer noch nach den Teetassen. »Liebling, könntest du mir bitte helfen, die Teetassen zu finden«, rief er meiner Mutter im Zimmer nebenan zu.
    »Aber natürlich, Viktor, sie sind wie immer neben dem Fernseher, wo du sie hingestellt hast.«
    Wir tranken zusammen Tee und aßen Kuchen. Zu Hause suchte ich nach Salsa für meinen Vater.

Das Leben ist ein dunkler Park
    Einmal wurde ich von einer Gruppe Gymnasiasten nach Pankow zu einer Lesung eingeladen. Die Veranstaltung sollte Geld für ihren Abi-Ball abwerfen, wobei sie mich als prominenten Köder benutzten. Tatsächlich kamen dann auch viele zahlende Gäste. Sie hörten eine gute Stunde einem Gymnasiasten-Streichquartett zu und dann meinen Geschichten. Dazu tranken sie Glühwein. Anschließend wollten sie alles signiert bekommen, was sie gerade in der Tasche hatten: Servietten, Aufkleber, Schulhefte, Zigarettenschachteln und sogar alte Stromrechnungen hielten sie mir vor die Nase.
    Ein sympathischer junger Mann bat mich, seinen bereits

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