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Ich mag dich wie du bist

Ich mag dich wie du bist

Titel: Ich mag dich wie du bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Gungui
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Transvestiten. Das habe ich nicht bedacht.
    »Guten Morgen, du bist ja heute früh auf.«
    »Ich wollte eben früh an den Strand …«, sage ich ohne nachzudenken.
    »Dann kommst du also mit?«, fragt er unerwartet höflich.
    In dem Moment kommt meine Mutter dazu und begrüßt mich nicht einmal. Sie wirft mir nur einen strengen Blick zu.
    Sie weiß schon alles. Das war ja klar.
    Wieder einmal habe ich sie enttäuscht. Sie hat mir vertraut und ich habe es ausgenutzt. Das wusste ich ja schon vorher, mir war klar, dass dieser Satz »Ich vertraue dir« sich irgendwann einmal gegen mich richten würde. Wenn du dich dafür entscheidest, mit deinen Eltern befreundet zu sein, musst du das für immer bleiben. Vielleicht war ich einfach noch nicht bereit dazu. Oder vielleicht läuft es im Leben auch nicht so wie in den amerikanischen Fernsehserien, wo Mütter und Töchter sich immer alles anvertrauen und jeden Konflikt durch ein Gespräch lösen.
    »Guten Morgen«, sage ich.
    »Ach, hallo«, bringt sie gerade so heraus.
    »Ich habe Alice gerade vorgeschlagen, dass sie mit uns an den Strand gehen könnte.«
    »Ja, wenn sie möchte und nicht zu müde dazu ist«, antwortet meine Mutter kühl.
    »Aber ja, sie ist schon auf, zum ersten Mal ist sie so früh wach.«
    »Ach ja, warum wohl. Und sie sieht ja auch so erholt aus …«
    In dem Moment kommt Fede aus dem Wohnwagen, er bekommt mit, dass dicke Luft herrscht und verzieht sich sofort aufs Klo.
    Mein Vater sieht sich verwirrt um. Er versteht gar nicht, was hier abgeht.
    »Also?«, fragt er.
    »Also fahren wir alle zusammen ans Meer«, antworte ich schnell, um einer weiteren giftigen Bemerkung meiner Mutter zuvorzukommen.
    Fede kommt vom Klo zurück und setzt sich hin. Er sieht genauso zerknautscht aus wie jeden Morgen, aber diesmal wirkt er dabei irgendwie merkwürdig geknickt.
    Mein Vater stellt sich hinter ihn und zwinkert mir zu. Auch ohne die nicht gerade berauschenden Schauspielkünste meines Vaters würde jeder sehen, was passiert ist. Zwischen meinem Bruder und Clara ist es aus. Jetzt verstehe ich, warum mein Vater so besonders freundlich ist (und der Zorn meiner Mutter hat ja auch eine eindeutige Erklärung). Aus irgendeinem Grund, hinter den ich noch nicht gekommen bin, fand mein Vater es gut, dass sein Sohn eine Freundin hatte, und die Tatsache, dass er nun so am Boden zerstört ist, stimmt ihn milde – hoffentlich noch für länger. Vielleicht ist ihm auch klar, dass meine Anwesenheit hilfreich sein könnte, aber ich sollte mich nicht auf solche Vermutungen verlassen, die eher zu meiner Mutter passen würden, oder besser gesagt, zu meiner Mutter gepasst hätten, ehe sie herausfand (keine Ahnung, wann und wie), dass ich nicht auf dem Campingplatz geschlafen habe, dass ich meinen Vater schamlos angelogen habe und dass ich nun die brave Tochter spiele, während sie beschlossen hat, mich (wohl oder übel) zu decken.

Dreiundsiebzig
    »Hallo Alice, ich hoffe, es geht dir besser, liebe Grüße, Daniele.«
    Ich antworte nicht auf diese SMS von Daniele, in der er etwa so leidenschaftlich klingt wie ein Versicherungsvertreter, aber dafür schicke ich eine SMS an Martina, um ihr zu sagen, dass es mir gut geht, und um mich für das Chaos zu entschuldigen, dass ich möglicherweise hinterlassen habe (meine Erinnerung an den Vorabend ist weiterhin getrübt).
    Ich brauche eine Auszeit. Ich muss mal zur Ruhe kommen, muss meinem Kopf ein paar Tage Pause gönnen, mal ein wenig Zeit verbringen in einer Welt ohne Danieles, Lucas und Martinas, die mich völlig aus der Bahn werfen. Am liebsten würde ich mich in einen kindlichen Zustand zurückentwickeln, in mein ursprüngliches Leben zurückkehren, bevor die Liebe es kompliziert machte. Einfach wieder zehn Jahre alt sein, oder acht. In dem Alter hat man schon Freunde, man hat Spaß, man hat klare Vorstellungen von dem, was einem gefällt und was nicht, doch das Herz und auch der restliche Körper haben noch ihre Ruhe. Der Virus Liebe tritt erst später auf. Für Unbeteiligte muss die ganze Sache mit der Liebe und dem Sex ein bisschen lächerlich aussehen. Auf jeden Fall möchte ich für ein paar Tage mit nichts von alldem konfrontiert werden. Mein Bruder hingegen möchte vermutlich nie mehr damit konfrontiert werden.
    »Fede, wie geht’s dir?«
    Keine Reaktion.
    »Fede, bist du traurig?«
    »Nein, bin ich nicht.«
    »Schade, denn ich bin schrecklich traurig. Wir hätten uns gemeinsam betrinken können.«
    »Ich darf noch gar nichts

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