Ich mag dich wie du bist
sie mich gegen eine Zeltwand gedrängt hatte. Und dort hat sie mich offensichtlich betäubt und begonnen, mich zu schlagen, denn ich habe nichts mitbekommen.
Völlig gerädert schleppe ich mich aus dem Zelt.
Als ich an den Tisch komme, entdecke ich enttäuscht, dass meine Eltern beide geschrumpft sind und mein Bruder verschwunden ist. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich das junge Hobbit-Pärchen erkenne, das dort vor unserem Wohnwagen frühstückt.
»Hallo, Ali.«
Der männliche Hobbit kennt meinen Namen. Ich sehe ihn verblüfft an.
»Hallo«, sagt das Weibchen, während ich fieberhaft in den Taschen meines Schlafanzugs krame, um nach meinem Schatzzzz zu suchen.
Plötzlich öffnet sich die Tür des Wohnwagens und ein Menschenmann erscheint, während sich aus der entgegengesetzten Richtung eine Frau mittleren Alters mit einer Plastiktüte in der Hand nähert.
»Hallo, Alice.«
Auch sie kennen meinen Namen.
Ich brauche jetzt dringend einen Kaffee.
Also setze ich mich an den Tisch, gieße mir eine Tasse ein und versuche herauszufinden, wer ich bin, woher ich komme und was ich hier eigentlich mache.
Die beiden jungen Hobbits trinken ihren Milchkaffee, während die beiden Menschen mit irgendwelchen Vorbereitungen beschäftigt sind. Einige Neuronen in meinem Hirn kommen mühsam in Gang und nach einer Weile kann ich die Gesichter meiner Tischgenossen erkennen.
Einer von ihnen ist auf jeden Fall mein Bruder. Ein merkwürdiger Ausdruck liegt auf seinem Gesicht, den ich noch nie bei ihm gesehen habe. Außerdem ist er unglaublich redselig, was bei mir gleich die Alarmglocken schrillen lässt. Es muss etwas passiert sein.
Den weiblichen Hobbit habe ich noch nie gesehen. Er ist etwa so groß wie mein Bruder, hat lange blonde Haare, ein paar Sommersprossen auf den Wangen und trägt einen weißen Bikini.
»Du bist wirklich toll!«, sagt das Hobbit-Mädchen plötzlich und lächelt so strahlend und breit, als hätte es fünfzig Zähne.
Dieses Kompliment verwandelt meinen Bruder in einen Embryo. Sein Kopf beugt sich über den Tisch und die Schultern sind vorgeneigt. Auf seinem Gesicht entdecke ich ein seltsames Lächeln, das zwischen Verlegenheit und Zufriedenheit schwankt. In diesem Moment fallen mir die Zettel auf dem Tisch auf.
Was zum Teufel ist hier los?
»Also«, sagt meine Mutter plötzlich und setzt sich zu uns. »Das Weinfest beginnt um 18 Uhr. Wir bleiben heute am Strand hier am Campingplatz, also kann jeder tun, was er will, aber um fünf sind wir alle fertig.«
Die Hobbits nicken.
Mein Vater ruft aus dem Wohnwagen einige unverständliche Sätze, in denen ich einige seiner Schlüsselbegriffe wiedererkennen kann: Pünktlichkeit, Parkplatz, das Gedränge, wer da ist, ist da, ich esse um eins.
Ich verstehe immer noch nicht genau, was hier vorgeht, und bin von den Blättern auf dem Tisch abgelenkt. Auf einem meine ich die Umrisse des von Bäumen umgebenen Wohnwagens zu erkennen.
»Clara, wenn du möchtest, kannst du heute Abend mitkommen.«
Die kleine Hobbit heißt also Clara.
Sie nickt lächelnd. Federico sieht weg. Er tut so, als hätte er den Satz nicht gehört. Kein Ahnung, warum.
Offensichtlich brauche ich heute Morgen keinen Kaffee, sondern ein paar Stockschläge an die Stirn, um zu sehen, ob sich nicht doch ein paar Neuronen finden, die sich widerwillig bereit erklären, ihren Dienst aufzunehmen.
Nun steht Clara auf, sie bedankt sich, wahrscheinlich für den Kaffee, verabredet sich irgendwie mit meinem Bruder, der ungeschickt aufsteht, die Zeichnung in der Hand, und dann geht sie. Fede bleibt so stehen, mit dem Blatt, den Blick im Kiefernwäldchen versunken, an irgendeiner nicht näher definierbaren Stelle zwischen den Duschen und der Bar.
In dem Moment erwachen urplötzlich meine Gehirnzellen und melden sich alle laut zu Wort.
Ich kann nicht genau hören, was sie sagen, weil sie alle gleichzeitig reden. Aber ich bin fast sicher, dass mir jemand zu erklären versucht, wer diese Clara ist und was sie mit meinem Bruder zu tun hat. Und da ist auch noch jemand, dem dieses seltsame Frühstück völlig egal ist und der an den Zettel denken muss, mit dem sich Martina bei mir bedankt hat und mir von der Party erzählt hat: »Ich habe ganz vergessen dir zu sagen, dass morgen die Party im Chiringuito ist.« Wenn Martina vergessen hat, mir davon zu erzählen, heißt das, dass die SMS nicht von ihr stammt. Und wenn sie es nicht war, wer war es dann? Die eindeutige Antwort auf diese Frage erschreckt mich
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