Ich mag dich wie du bist
und lässt gleichzeitig mein Herz vor Freude hüpfen. Ein glücklicher Schauer läuft mir den Rücken hinunter, der morgendliche Nebel hebt sich endgültig und ich spüre, wie sich ein Lächeln auf meinen Lippen ausbreitet. Ich fürchte, dass es genauso idiotisch wirkt wie bei meinem Bruder.
Vierundvierzig
»Also, ich stell mich beim Tintenfisch an, du bei den Getränken und die Kinder suchen inzwischen einen freien Tisch.«
Meine Mutter ist von der Arbeitsverteilung meines Vaters überhaupt nicht überzeugt. Sie sagt zwar nichts, aber sie verzieht erstaunt und ein wenig schmollend das Gesicht, um zu verstehen zu geben, dass sie nicht einverstanden ist.
»Dann stellen wir uns eben alle gemeinsam an«, kommt ihr mein Vater entgegen, in dem Versuch, die beste Lösung zu erraten.
Er ist heute Abend erstaunlich nachgiebig. Ich glaube, das liegt daran, dass die »kleine Freundin« meines Bruders mit von der Partie ist. Wir sind erst um halb sechs vom Campingplatz losgefahren statt wie geplant um fünf Uhr, und er hat nichts gesagt. Dann mussten wir den Wagen ewig weit weg abstellen, weil die Straßen des Städtchens schon völlig zugeparkt waren, und nicht mal da hat er die Gelegenheit genutzt, um einen Spruch anzubringen wie: »Genau deswegen wollte ich um fünf los.« Und jetzt stellt meine Mutter seine organisatorischen Fähigkeiten in Frage und er protestiert immer noch nicht.
Gleich versuche ich mein Glück und sage ihm, dass ich nächstes Jahr in Oxford studieren möchte.
Clara ist bei uns im Auto mitgefahren. Sie hat sich extra hübsch gemacht, einen langen, bunten Rock und ein schwarzes Mini-Top angezogen, und ich bin mir fast sicher, dass sie sich auch geschminkt hat.
Während wir noch unentschlossen mitten auf dem Platz zwischen den Ständen und Bänken stehen, klingelt ein Handy.
Clara kramt schnell in ihrem Täschchen und zieht einen riesigen gelben Telefonknochen heraus, ein Modell aus der Steinzeit, von dem ich angenommen hatte, es wäre schon längst ausgestorben, etwa zeitgleich mit Kutschen und Dinosauriern.
Während sie spricht, hebt sie ihre Arme hoch, dreht sich erst zu der einen, dann zur anderen Seite und deutet der Reihe nach auf: einen Kirchturm, ein großes weißes Festzelt und eine Bühne, auf der ein dicker Herr einen Soundcheck macht. Der männliche Teil der Familie verfolgt die Szene stumm, während meine Mutter versucht, emotional am Geschehen Anteil zu nehmen, indem sie sich besorgt umschaut. Nach ein paar Minuten nähert sich uns ein Ehepaar, das mir merkwürdig vertraut vorkommt.
»Hallo, Mama«, sagt Clara. Und ich erinnere mich schlagartig wieder an diese Rothaarige, die mit meinem Vater Limoncello getrunken hat, und an den Mann, der meine Mutter in eine von der Tarantel gestochene Zigeunerin verwandelte.
Eigentlich hätte mich im Laufe des Tages irgendjemand über die Hintergründe dieser Situation aufklären können. Aber es ist offensichtlich, dass Federico nicht untätig gewesen ist, während ich auf dem Campingplatz geblieben oder zum Chiringuito gegangen bin, um mir meine eigenen Ferien zu organisieren. Er hat ein gleichaltriges Mädchen »erobert« und sich sogar getraut, sie »nach Hause mitzubringen«.
Während die Familienväter sich begrüßen, die Frauen die üblichen Höflichkeiten austauschen und die beiden Hobbits sich etwas abseits unterhalten, bin ich gezwungen, mich mit meinem unangenehmen »Single«-Status auseinanderzusetzen. Ich fühle mich wie eine einzelne übriggebliebene Socke auf der Wäscheleine und mir drängt sich der Gedanke auf, dass das Wort »Single« ganz ausgezeichnet zu Socken passt, die von Natur aus dazu neigen, sich zu trennen, damit jede ihren eigenen Weg gehen kann. Die eine versteckt sich in der Waschmaschine, die andere wechselt in eine andere Schublade, andere lassen sich vom Wäscheständer fallen oder versuchen, mit anderen Socken Pärchen zu bilden. Menschen sollten eigentlich ganz instinktiv zur Paarbildung geschaffen sein. Das heißt, eigentlich sollte es eine natürliche, spontane, unbeschwerte Sache sein. Doch für mich ist alles, was mit Partnersuche zu tun hat, weder natürlich noch spontan oder gar unbeschwert.
Bin ich vielleicht in Wirklichkeit gar kein Mensch, sondern eine Socke?
Als ich das erste Mal mit einer anderen »Socke« ausgegangen bin, war ich zwölf. »Ausgegangen« heißt in dem Fall, dass wir, nachdem wir ein gegenseitiges Interesse festgestellt hatten, mehr oder weniger einhellig beschlossen haben, am
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