Ich mag dich wie du bist
Nachmittag gemeinsam in den Park zu gehen. Er hat mich zu Hause abgeholt, und das war auch schon der beste Teil unserer Verabredung. Weil ich da noch aufgeregt war, mich hübsch zurechtgemacht hatte, weil er mir gegenüber ein paarmal den Kavalier spielte und mir die Tür aufhielt oder mich vorangehen ließ – ein Verhalten, das mir in dem Moment nicht weiter wichtig schien, aber dem ich noch einige Jahre lang hinterhertrauern sollte. Erst als wir im Park angekommen waren, merkte ich, dass wir uns überhaupt nichts zu sagen hatten. Nach ein paar Stunden, in denen wir über dieses und jenes geredet hatten, haben wir uns sogar geküsst, selbstverständlich ohne Zunge. Aber als ich wieder zu Hause war, war ich ziemlich verwundert, um nicht zu sagen enttäuscht. Tief in meinem Inneren fragte ich mich: Ist das etwa alles?
Die Zusammenführung der beiden Familien hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die Arbeitsverteilung für das Abendessen auf der Stelle geklärt ist. Frauen und Kinder setzen sich an einen Tisch, während die Männer losziehen, um etwas zu essen zu besorgen. Die Piazza des kleinen Städtchens ist mit langen Holztischen zugestellt. In den Buden und Ständen rundherum wird gekocht, frittiert, gebraten und gegrillt.
Um halb acht kommen die Familienväter endlich mit zwei voll beladenen Tabletts an unseren Tisch und sehen dabei so angefressen aus, wie man eben aussieht, wenn man eine Ewigkeit anstehen musste.
Ich nehme mir meinen Teller und fange an zu essen.
Plötzlich sehe ich, wie das Gesicht meiner Mutter zunächst einen besorgten Ausdruck annimmt, bevor sie amüsiert lächelt. Ich höre ein Rascheln an meinem Hals und spüre, wie sich zwei Pfötchen sanft auf meine Schultern legen.
Fünfundvierzig
»Wie ich sehe, hast du das salentinische Lebensgefühl entdeckt!«
Die Männer der Tischrunde und die beiden Hobbits bemerken die Neuankömmlinge nicht einmal, während meine Mutter und Claras Mama, die neben mir sitzen, mich fragend ansehen und auf Erklärungen warten beziehungsweise darauf, dass ich sie alle miteinander bekannt mache.
Okay, jetzt muss ich mit wenigen Worten meine »neuen Freunde« vorstellen, wobei ich nur hoffen kann, dass sie nicht auf meine häufigen Besuche im Chiringuito zu sprechen kommen oder auf die Party morgen, bei der ich immer noch nicht weiß, wie ich es schaffen soll, da hinzukommen.
Mit einem Blick versuche ich meiner Mutter zu erklären, dass
1) der Junge hier Daniele heißt und der Rastafari-Freund von Martina ist, die in einiger Entfernung neben ihm steht;
2) das Tier, das auf meinen Schultern herumklettert und mir in diesem Augenblick in die Arme springt, sein Frettchen ist (aber auch die symbolische Verkörperung meines Schuldbewusstseins);
3) der andere Junge mit den Tätowierungen am ganzen Körper Roby ist, der auch im Chiringuito arbeitet und eigentlich ein richtig netter Typ ist.
Ich fürchte, mein Blick hat die Botschaft nicht so ganz rübergebracht.
»Und, wie ist der purpu ?«, fragt Daniele, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
Ich winke Martina und Roby zu und die beiden kommen zu uns.
Jetzt übernehme ich die Führung.
»Also, das sind Martina, Roby, Daniele und Dr. Marley, das Frettchen.«
»Guten Abend«, sagt Martina.
Roby lächelt höflich.
Meine Mutter ist verwirrt. Sie steht auf, sagt so etwas wie: »Ich bin die Mutter von Alice« und wirft dann einen verzweifelten Blick auf die andere Seite des Tisches, wo die Männer in eine Diskussion vertieft sind und nichts mitbekommen haben.
»Kommt, setzt euch zu uns«, sagt plötzlich eine Stimme, aber es ist weder meine noch die meiner Mutter, dabei sind wir beide die Einzigen, die theoretisch das Recht dazu hätten, so einen Vorschlag zu machen. Die Rothaarige bedeutet »meinen« Freunden, sich an »unseren« Tisch zu setzen. Daniele und Martina folgen der Einladung nicht sofort, vielleicht warten sie auf ein Zeichen von mir, dass es mir recht ist.
»Habt ihr nicht gehört, was die Signora gesagt hat? Ab auf eure Plätze!«
Roby marschiert in einer Art improvisiertem Stechschritt rund um den Tisch, dann setzt er sich zwischen meine Mutter und den Rotschopf.
Ich zittere innerlich und fürchte schon das Schlimmste.
»Ihr müsst die beiden entschuldigen«, sagt er mit todernstem Gesicht, »die haben einfach kein Benehmen.«
Meine Mutter lächelt höflich.
Der Rotschopf bricht in schallendes Gelächter aus.
»Dann hast du sie wohl nicht gut erzogen«, sagt sie
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