Ich mag dich wie du bist
ist tatsächlich nicht schlecht. Gibt es eigentlich einen besseren Moment, meine Mutter um Erlaubnis zu fragen als jetzt, wo sie etwas angeheitert ist? Und wo Martina schon mal da ist, kann sie sich gleich bei ihr bedanken und so oft sie will bei ihr nachfragen: »Das ist doch kein Problem, oder?« und: »Ist deine Mutter auch wirklich einverstanden?«
Auf der Rückfahrt zum Campingplatz spüre ich, dass sich in meiner Familie etwas verändert hat. Kein großes Ding, es ist nicht so, dass wir nun, wo wir einen etwas ungewöhnlicheren Abend miteinander verbracht haben, gleich die dicksten Freunde sind und am Strand die Joints kreisen lassen. Aber dadurch, dass wir etwas geteilt haben, was über die übliche Rollenaufteilung innerhalb der Familie hinausgeht, sind die Karten neu verteilt worden und es ist eine verschworene Gemeinschaft entstanden, die ich so nie zuvor erlebt habe. Oh ja, mein Vater unterhält sich mit meinem Bruder, der vorne sitzt, und sie reden nicht über Sex und auch nicht über seine Zukunftspläne mit Clara. Sie unterhalten sich über etwas ganz anderes, aber es ist, als ob jeder Satz in Wirklichkeit eine komplizierte Geheimsprache unter Männern wäre, die wissen, dass sie etwas verbindet.
Auf der Rückbank schwingt meine Mutter Lobreden auf meine Freunde. Sie ist ein wenig beschwipst und ich glaube, morgen wird sie bereuen, dass sie sich so sehr hat gehen lassen. Aber im Moment ist sie von ihnen begeistert und legt großen Wert darauf, mir das auch mitzuteilen. Jedes Kompliment wird von verwunderten Betrachtungen über Danieles Dreadlocks und Robys Tätowierungen begleitet, als wollte sie sagen, wenn ihr zwei solche Menschen sonst über den Weg gelaufen wären, hätte sie sofort gedacht, dass sie Penner wären. Sie hat auch Martina sympathisch gefunden, obwohl ich den Eindruck habe, dass sie ihr gegenüber etwas verhaltener ist.
»Und sie sind ja wirklich ein hübsches Pärchen.«
»Wer?«
»Daniele und Martina, die sind doch ein schönes Paar, nicht wahr?«
»Also, die beiden sind aber nicht zusammen …«
»Sie passen aber gut zueinander. Er scheint mir ein sehr sensibler Mensch zu sein. Und gut sieht er auch noch aus, abgesehen von diesen Haaren.«
»Den Dreadlocks.«
»Wie kann man nur seine Haare so zusammengedreht tragen? Das ist doch Wahnsinn.«
»Rastas sehen eben so aus.«
»Martina wirkt auf mich wie ein normales Mädchen. Sie ist höflich, aber sehr zurückhaltend. Daniele geht da mehr aus sich heraus. Ich frage mich, wie Martinas Eltern wohl sind.«
»Sie leben getrennt.«
»Ach, getrennt … und bei wem lebt sie?«
»Mama, hast du sonst keine Fragen?«
»Okay, okay, ich höre schon auf. Es war jedenfalls sehr nett von ihnen, dass sie den Abend mit uns verbracht haben … Und weißt du was?«
»Ja?«
»Daniele erinnert mich ein wenig an Luca.«
»Welchen Luca?«
»Na, deinen Freund Luca.«
»Luca, warum das denn?«
»Ich weiß es nicht … dieses leicht Exzentrische, der Humor … ich weiß auch nicht, was meinst du?«
Sechsundvierzig
Wenn man zu einer Party geht, gibt es einige Grundregeln.
Vor allem das Timing. Wenn es sich um eine Party handelt, die nach dem Abendessen beginnt, dann steht auf der Einladung irgendeine Anfangszeit zwischen halb neun und elf. Wer halb neun schreibt, will vermeiden, dass die Gäste vor dem Ausgehen noch großartig zu Abend essen und dann zu spät kommen, vielleicht so gegen halb elf. Doch wenn man tatsächlich um halb neun dort aufkreuzt, kann es sehr gut passieren, dass man zu den Ersten gehört. Und man darf niemals der Erste sein. Wenn da steht, die Party beginnt um elf, dann heißt das im Prinzip nichts anderes, als dass man erst noch in irgendein Lokal oder woandershin gehen muss und nicht vor Mitternacht auf der Party erscheinen sollte. Und dann gibt es noch Partys wie die vom Chiringuito, bei denen es schlicht heißt: ab sieben Uhr. In dem Fall hat man die Wahl. Doch man sollte immer von ein oder zwei Stunden Verspätung ausgehen.
Als sechzehnjähriges Mädchen, das nur bis Mitternacht oder spätestens bis halb eins Ausgang hat, hat man bei diesen Regelungen praktisch keine Chance. Man wird zwangsläufig zu den ersten Gästen gehören und dann, wenn die Party endlich in Schwung kommt, muss man nach Hause gehen.
So entstand die Berühmteste-Lüge-der-Menschheitsgeschichte, besser bekannt als: Ich übernachte/wir übernachten bei Freund/Freundin X, aber sicher gehen wir um Mitternacht nach Hause, spätestens um halb
Weitere Kostenlose Bücher