Ich mag dich wie du bist
eins, und ja, seine/ihre Eltern haben nichts dagegen.
Im besten Fall sind die Eltern von Freund/Freundin X gar nicht zu Hause, oder sie gehören, wie bei Martina, zu der Sorte Eltern, die sich nicht allzu sehr darum kümmern, was ihre Kinder so treiben.
Nach sorgfältigem Abwägen der Lage beschließe ich, um zwanzig nach neun einzutrudeln, denn zu der Zeit kann man gut in der Menge untertauchen, ohne allzu sehr aufzufallen. Natürlich kann ich nicht erst dann vom Campingplatz weg, sonst müsste ich im Dunkeln über den Strand zum Chiringuito, daher warte ich jetzt bereits seit einer guten halben Stunde ein paar Hundert Meter vom Neuneinhalb Wochen entfernt.
Ich sitze auf einem Fels, denk noch mal über mein Outfit nach und male mir diverse Möglichkeiten aus, wie der Abend ablaufen könnte.
Nach einer sorgfältigen Begutachtung meiner bescheidenen Garderobe habe ich mich für einen bunten, etwas hippiemäßigen Rock entschieden (schließlich gehe ich auf eine Reggae-Party), und dazu ein schwarzes Top, ein bisschen hip, aber alles in allem recht neutral und auf jeden Fall passend. Aber wenn ich mein sorgfältiges Styling jetzt so ansehe, wird mir klar, dass ich mich genauso angezogen habe wie Clara gestern zum Weinfest. Allerdings ist Clara auch die Freundin meines zu einem neapolitanischen Gassenjungen mutierten Bruders.
Meine Vorstellungen von dem vor mir liegenden Abend sind da schon befriedigender.
Wie immer beginne ich mit der »Schlimmsten aller Vorstellungen«: Martina ist von tausend Freunden umschwärmt und bemerkt kaum, dass ich da bin. Daniele ist schon blau, und nachdem er zwei Minuten mit mir geflirtet hat, verschwindet er mit einem Mädchen mit Dreadlocks in die Büsche.
Dann kommt die »Wahrscheinlichste Vorstellung«: Den ersten Teil der Party kann ich mit Martina verbringen, aber sobald mehr Leute eintreffen, komme ich mir etwas verloren vor, und da ich ja bei ihr zu Hause übernachte, muss ich warten, bis sie meint, dass ihr Abend beendet ist, den sie mit irgendeinem Typen verbracht hat, mit dem sie eigentlich gar nichts zu tun haben wollte, aber dann doch …
Schließlich gibt es da noch die »Idealvorstellung«: Daniele unterhält sich den ganzen Abend mit mir. Während wir tanzen, flüstert mir Mary irgendwas von »Nicht locker lassen!« ins Ohr und Martina, die hinter Daniele tanzt, zwinkert mir verschwörerisch zu.
»Alice! Da bist du ja! Ich hatte schon Angst, dass du dich verlaufen hast!«
Daniele kommt mir mit zwei Gläsern in der Hand entgegen, als hätte er die ganze Zeit auf mich gewartet. Er muss schreien, um die voll aufgedrehte Musik zu übertönen.
»Ich musste noch mit meinen Eltern essen!«, schreie ich meinerseits und weil mir nichts anderes einfällt, füge ich hinzu: »Wie läuft’s?«
»Toll! Es ist noch nicht viel los, aber jetzt kommen sie allmählich. Wenn du schreibst, dass die Party um sieben beginnt, lassen sich die aus Mailand und Rom nicht vor zehn Uhr blicken.«
Ich lächle amüsiert, wie um zu sagen: »Sieh mal an, also diese Mailänder …«
»Hier, das ist für dich, Mojito, magst du so was?«
»Danke, ja.«
»Dann cin cin! Jetzt muss ich zum Mischpult zurück, Roby hat mich kurz vertreten, aber er muss wieder an die Theke, sonst dreht Martina durch. Irgendwo ist auch Mary, wir sehen uns dann später!«
Offensichtlich muss ich meine Fantasien noch um eine Vorstellung erweitern: Daniele legt den ganzen Abend die Musik auf, Martina muss die Getränke servieren und ich werde die ganze Zeit allein sein …
Ich quetsche mich durch die Menge, die sich um die Theke und um das DJ-Pult drängelt und nippe an meinem Mojito, der, nebenbei bemerkt, reichlich stark ist.
Keiner tanzt wirklich, die meisten wippen nur leicht auf der Stelle mit dem Drink in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand, mit der Grundausstattung also, die anzeigt, dass man total in seinem Element ist. Ich erhasche einen Blick auf Martina hinter dem Tresen, aber sie ist so beschäftigt, dass ich beschließe, die Begrüßung zu verschieben. Früher oder später wird auch sie eine Pause machen müssen.
Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als nach Mary zu fahnden, und ich beschließe, mich voll und ganz der Suche nach ihr zu widmen, so habe ich wenigstens etwas zu tun.
Ab und an werde ich in duftenden weißen Qualm gehüllt, der definitiv nicht von Räucherstäbchen stammt.
»Heeeey!«, schreit plötzlich jemand vor mir.
Es ist Mary, und sie ist allein.
»Hallo«,
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