Ich mag dich wie du bist
sage ich und hoffe, dass das die korrekte Antwort auf ein »Heeeey!« ist.
»Du siehst toll aus, starkes Outfit für den Frontalangriff, hab ich recht?«
»Na ja, vielleicht … gefällt es dir?«
Mary geht auf meine Frage nicht ein, aber sie wirft mir einen ihrer sprechenden Blicke zu, der so viel heißt wie »Hör mal, mir kannst du nichts vormachen«.
»Ich habe zwei echt süße Typen gesehen, komm mit, ich zeig sie dir.«
Wir kämpfen uns durch Cocktails, Zigaretten und weiße Qualmwolken und finden einen sicheren Platz am Meer, wo die Musik nicht so laut ist.
»Bist du jetzt erst gekommen?«
»Ja, so ungefähr, ich habe Daniele getroffen, der mir einen Mojito in die Hand gedrückt hat, und dann habe ich mich ein wenig umgesehen.«
»Er hat dir was zu trinken gebracht?«
»Ja, also er hatte schon zwei Drinks in der Hand …«
»Er hat dir was zu trinken gebracht. Hör mal, du bleibst schon über Nacht hier, du musst nicht zum Campingplatz zurück, oder?«
»Nein, nein, ich schlafe bei Martina, so muss ich auch nicht zur Sperrstunde zu Hause sein.«
Mary sieht mich ganz komisch an. Dieses Mal kann ich nicht erraten, was sie denkt.
»Na dann viel Glück …«
Siebenundvierzig
Was heißt hier »Viel Glück«?
Warum sollte mir Mary viel Glück wünschen, nur weil ich bei Martina schlafe?
Allerdings komme ich nicht mehr dazu, sie danach zu fragen, weil inzwischen die zwei echt süßen Typen aufgetaucht sind, die Mary mir so unbedingt zeigen wollte. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr ironischer Wunsch mich noch den größten Teil des Abends begleiten wird.
Mein Plan, nicht weiter aufzufallen, erweist sich bald als nicht realisierbar. Neben jemandem wie Mary nicht auffallen zu wollen ist genauso, als würde man versuchen, sich hinter einem sprühenden Feuerwerk zu verstecken. Marys Outfit gestaltet sich folgendermaßen, von unten nach oben: Flip-Flops mit Pailletten und Perlen, die aussehen wie Katzenaugen für Kettenfahrzeuge, dann muss man erst mal ein ganz schönes Stück weiter hoch wandern, ehe man zu einem enganliegenden und sehr tiefsitzenden Minirock kommt, dann wieder erst mal nichts bis zum Bauchnabel, über dem dann ein rosafarbenes Mini-Top auftaucht, auf dem sich der Schriftzug »100 % Sexy Girl« über die komplette Oberweite erstreckt.
Die zwei Typen zögern nicht lange, bis sie uns ansprechen.
»Hallo«, sagt einer der beiden – der Einzige, der wirklich »niedlich« ist – zu Mary. Er ist der klassische von sich selbst überzeugte Typ, der gar nicht erst nach einem Vorwand sucht, um mit einer Unbekannten ein Gespräch anzufangen.
»Wie heißt du?«, fragt er, und ich denke bei mir, man kann das ja durchaus lässig angehen, aber etwas Besseres hätte er sich schon ausdenken können.
»Ich bin Mary und das ist Alice.«
»Angenehm.«
»Können wir euch was zu trinken bestellen?«
Mary antwortet nicht einmal, sie lächelt nur kokett und steuert Richtung Theke. Die beiden Typen sehen sich schmunzelnd an, lassen mir den Vortritt und folgen uns.
Eigentlich glaube ich ja nicht, dass Mary die beiden wirklich gefallen, meiner Meinung nach flirtet sie einfach nur gern, und ich hoffe inständig, dass sie auch eine nette und freundliche Art kennt, wie sie die Typen wieder loswird, nachdem sie uns auf einen Drink eingeladen haben.
Inzwischen ist mein Mojito alle.
An der Theke ist jetzt etwas weniger los und Martina gönnt sich eine Zigarettenpause.
»Ach, hast du es doch noch geschafft?« Sie geht um den Tresen herum und kommt auf mich zu. »Ich hatte schon Angst, du würdest uns versetzen.«
Martina umarmt mich und wir küssen uns auf die Wange. Sie wirkt ausgesprochen gutgelaunt. Sie wiegt sich im Takt zur Musik und zieht zufrieden an ihrer Zigarette. Inzwischen sind die beiden Jungs zu uns gestoßen und zeigen sich äußerst interessiert an der Neuen in unserer Runde.
»Gibt’s denn hier keine Bedienung?«
»Nein, jetzt ist geschlossen«, sagt Martina.
»Ach, geschlossen … und wo kriegt man dann was zu trinken?«
Martina kommt näher und flüstert mir so etwas ins Ohr wie: »Wo habt ihr denn die zwei aufgegabelt?«
Ich beschränke mich auf einen Blick, mit dem ich anzudeuten versuche, dass das auf Marys Konto geht.
»Na gut, für meine heißen Freundinnen mache ich mal eine Ausnahme«, sagt sie und wirft ihre Kippe auf den Boden. »Was kann ich euch bringen?«
»Für mich einen Manhattan und die Mädels nehmen …«
»Einen Cosmopolitan«, trillert
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