Ich mag dich wie du bist
sagt etwas, trotzdem fühle ich mich nicht verlegen. Eine merkwürdige Trägheit bestimmt an diesem Abend alles, was ich tue, eine Kraft, die nichts mit Willen zu tun hat und die mich mal hierhin, mal dorthin treibt. Nach einer Weile setzen wir uns einfach.
»Stört es dich, wenn ich mir einen Joint drehe?«
»Nein, nein, woher denn.«
»Du kiffst nicht, oder?«
»Ich habe nur ein einziges Mal gekifft, um jemanden zu beeindrucken, der mir gefiel.«
»Dann willst du mich also nicht beeindrucken.«
»Ich dachte, ich versuche es diesmal mit einer anderen Taktik.«
Was wir sagen, ist natürlich überhaupt nicht ernst gemeint. Aber es stimmt schon, dass ich Daniele an diesem Abend sehr, sehr anziehend finde.
»Und welche?«
Ich lächle nur und zucke mit den Schultern.
»Was bedeutet es, dass der Platz für Jah reserviert ist?«
»Hat Roby das zu dir gesagt?«
»Ja, als ich zum ersten Mal hier war.«
»Das heißt gar nichts, Jah ist der Rasta-Gott.«
»Und du glaubst an den Rasta-Gott?«
Daniele bläst den Rauch heftig aus. Ich nippe an meinem Mojito. Der freundliche kleine Zauberer lässt sich nicht mehr blicken. Mein Drink ist fast leer.
»Schwierige Frage!«
»Glaubst du an ihn oder nicht?«
»Nicht so ganz.«
»Was heißt das, nicht so ganz?«
»Vielleicht gibt es ihn ja, ebenso wie die anderen Götter, vielleicht aber auch nicht.«
»Du bist also Atheist?«
»Eigentlich auch nicht, ich habe nur meine ganz eigene Vorstellung davon.«
Jetzt bin ich natürlich gespannt, wie »seine Vorstellung davon« aussieht. Ich setze mich in den Schneidersitz und sehe ihn fragend an.
»Soll ich sie dir erzählen?«
»Schieß los.«
»Für mich ist Gott so etwas wie ein Hausverwalter, der in Urlaub gefahren ist und keiner weiß, ob er zurückkommt. Wir sind die Mieter. Einige glauben fest daran, dass er zurückkommt, und benehmen sich daher ordentlich oder tun zumindest so, um keine Schwierigkeiten zu bekommen. Und dann gibt es die, die sicher sind, dass er nie wiederkehrt, deshalb ist ihnen alles egal, sie tun einfach, was ihnen gefällt. Ich glaube zwar, dass er nicht wiederkommt, aber ich versuche trotzdem, die Wohnung einigermaßen in Schuss zu halten. Sollte er schließlich doch zurückkommen, dann freut er sich bestimmt und macht mir nicht die Hölle heiß, weil ich dachte, dass er nicht wiederkehrt.«
»Wow«, rutscht mir spontan heraus.
»Ist das Quatsch?«
»Nein … ich glaube nicht … aber ich muss darüber nachdenken.«
»Denk darüber nach und sag mir Bescheid.«
Wir schweigen ein paar Sekunden vor uns hin.
Als ich zum Himmel hinaufsehe, merke ich, dass ich nicht mehr klar sehen kann. Die Sterne sind wie verwischt. Dann schaue ich aufs Meer hinaus, wo der Mond eine feine Leuchtspur hinter sich her zieht, die sich bis zum Horizont zu erstrecken scheint.
»Bist du mit Martina sehr eng befreundet?«
Daniele scheint ein wenig darüber nachzudenken, er hebt kurz den Kopf, um ihn dann wieder zu senken, aber er sieht mich nicht an.
»Ja, das bin ich wirklich«, antwortet er, als ob er die Frage erwartet hätte, »wir kennen uns schon ein paar Jahre.«
»Meine Mutter war richtig angetan von euch, sie hat gesagt, dass ihr ein hübsches Paar seid, und das stimmt.«
Er antwortet nicht gleich und ich fürchte, dass er gemerkt hat, worauf ich hinaus will, denn er kichert in sich hinein.
»Als wir uns noch nicht so gut kannten, habe ich mich so halb in sie verknallt, es war Sommer und sie … na ja, du weißt ja, wie Martina ist, sie ist so extrem, rätselhaft, oder besser gesagt, so wirkte sie auf mich, und vielleicht war ich deshalb ein bisschen verschossen in sie.«
»Und dann?«, frage ich und wünsche mir von ganzem Herzen, dass die Antwort auf diese Frage »Und dann ist nichts passiert« lautet.
»Und dann haben wir uns eines Abends geküsst und ein paar Tage waren wir zusammen. Dann hat sie sich plötzlich nicht mehr gemeldet und es war aus. Im nächsten Jahr haben wir uns wieder getroffen, sie hat angefangen, im Chiringuito zu arbeiten, und wir sind Freunde geworden.«
»Und ihr habt nie darüber geredet?«
»Nein … eigentlich nicht, aber wir haben uns besser kennengelernt und ich habe begriffen, dass sich hinter ihrer Fassade des toughen Supergirls ein anderer Mensch verbirgt, voller Selbstzweifel und Ängste und … na ja, vielleicht hat das nichts damit zu tun.«
»Das sehe ich auch so.«
»Manchmal jagt sie mir Angst ein. Man sieht ihr an, dass sie unglücklich ist, und
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