Ich mag dich wie du bist
gespritzt, und nachdem Daniele sie aufs Sofa gelegt hatte, habe ich ihr die verschmutzte Kleidung ausgezogen und eine Decke über sie gelegt.
»Alles in Ordnung?«, frage ich Daniele, denn er wirkt seltsam stumm.
»Ja, ja … nichts passiert.«
»Tut dir die Backe weh?«
»Ein bisschen.«
»Lass mich mal sehen.«
Daniele nimmt das feuchte Handtuch vom Gesicht und dreht sich zu mir hin, damit ich den Treffer sehen kann. Seine Wange ist blau und geschwollen. Aus der Begegnung mit dem Man in Black ist er eindeutig nicht als Gewinner hervorgegangen.
»Ich habe immer noch nicht kapiert, was zum Teufel mit Martina los war«, sage ich, um wieder auf die Ursache für die Schlägerei zu sprechen zu kommen.
»Genau das, was ich dir vorhin am Strand erzählt habe, die Sache mit dem Egoismus.«
»Wie meinst du das?«
»Martina ist eine Egoistin, wenn sie etwas tut, denkt sie nicht an die möglichen Folgen, und dann kommt es zu solchem Ärger.«
Diese Worte hören sich für mich merkwürdig an aus dem Mund von jemandem, der sich gerade noch für sie geprügelt hat. Ich frage mich, was das mit Egoismus zu tun hat. Vielleicht meint Daniele ja, wenn man nicht mit jedem, der einen abzuschleppen versucht, in die Kiste steigt, ist das schon ein Zeichen von Egoismus? Nein, das kann es nicht sein.
»Also«, erklärt Daniele, »der Typ im schwarzen T-Shirt ist ein Arschloch, so weit sind wir uns einig, aber wir wissen nicht, was vorher passiert ist, oder besser gesagt, du weißt es nicht, ich schon.«
»Du weißt es?«
»Na ja, ich weiß es nicht, aber ich kann es mir denken.«
»Und was?«
»Also, das passiert jetzt nicht unbedingt jedes Mal, aber oft genug. Martina beginnt zu trinken, viel zu trinken, sie zählt nicht einmal die Drinks mit, die sie in sich reinschüttet, aber ich bin mir sicher, eine Weile, zumindest am Anfang, ist ihr vollkommen klar, wie der vor ihr liegende Abend ablaufen wird. Dann gibt es eine gewisse Zeit, in der sie glücklich betrunken ist, sogar viel zu glücklich, sie ist jedermanns Freundin und zu allen nett. Bis ihr schlecht wird, und dann wird sie unangenehm.«
Daniele macht eine Pause, steckt das Handtuch in den Eiskübel und trocknet sich die Hand am T-Shirt ab.
»Stört es dich, wenn ich mir jetzt eine Tüte drehe?«
»Nein, nein«, sage ich wieder, um noch einmal deutlich zu machen, dass ich damit überhaupt keine moralischen Probleme habe.
»Du kannst aber einiges vertragen«, meine ich und deute auf den Beutel mit Marihuana, den er aus der Tasche gezogen hat.
»Na ja, das ist etwas anderes, Alkohol ist schlimmer.«
An meinem überraschten Gesichtsausdruck kann Daniele ersehen, dass ich wohl zum ersten Mal höre, Alkohol sei schlimmer als Drogen.
»Das stimmt, schließlich bin ich hier und rede mit dir, während Martina da drinnen auf dem Sofa liegt.«
»Eins zu null für dich«, sage ich.
»Was soll das heißen?«
»Du hast unfair argumentiert, aber erst mal gewonnen.«
»Unfair? Wie meinst du das?«
»Ich meine damit, dass es auf die Menge ankommt, oder? Ich habe auch getrunken und trotzdem sitze ich hier und rede mit dir.«
»Dann steht es jetzt eins zu eins. Aber wenn du bedenkst, wie viele Menschen durch Alkohol sterben, Alkoholmissbrauch und Unfälle, dann stellst du fest, dass Alkohol die häufigste Todesursache ist.«
Ich erwidere nichts darauf, sondern nicke nur stumm. Ich möchte, dass er mir Martinas Geschichte zu Ende erzählt.
»Was meinst du damit, dass sie unangenehm wird?«
»Sie guckt sich dann jemanden aus, tut so, als wollte sie etwas von ihm, tanzt um ihn herum und flirtet mit ihm, wenn der aber einen Annäherungsversuch wagt, ignoriert sie ihn, und wenn er hartnäckig bleibt, versucht sie es bei einem anderen. Das kann ganz schön Ärger geben.«
»Aber warum tut sie das?«
»Weil sie sich rächen muss, inzwischen ist mir das klar geworden.«
»An wem muss sie sich rächen?«
»An den Männern, sie muss ihre Verachtung für die Männer beweisen, und ich würde sagen, die Kotze auf dem T-Shirt dieses Typen spricht für sich.«
Daniele hat recht, denke ich. Daniele ist intelligent, denke ich. Und einfühlsam. Drei zu null für ihn.
»Möchtest du ein paar Nudeln?«
»Wie spät ist es denn eigentlich?«
»Genau die richtige Zeit für eine paar Hallo-wach-Nudeln.«
Fünfzig
Hallo-wach-Nudeln sind in Wirklichkeit nichts anderes als ganz normale Spaghetti mit Knoblauch, Öl und ein wenig Peperoni, aber in einer Variante, die laut Daniele helfen
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