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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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mir auch versprochen hat, ich würde immer glücklich sein im Leben?,
denkt er, als er den Hörer auflegt.
    Binnen zwei Minuten ist Barry so fest eingeschlafen wie früher als Assistenzarzt. Morgens wacht er zur üblichen Zeit auf, geht bei Sonnenaufgang zum Laufen in den Central Park und denkt bei jedem Schritt darüber nach, was er zu meinen Eltern sagen soll. Dass er den Schlag für sie mildern möchte, wärmt mir das Herz. Als er nach Hause zurückkommt, sitzt Annabel gerade beim Frühstück.
    »Vergiss nicht, du sollst die dreckigen Schuhe im Flur lassen, Daddy«, ruft sie wie eine kleine Ehefrau.
    »Vergiss nicht, du sollst deinem Vater einen Kuss geben«, ruft er zurück und kommt mit der ›New York Times‹ und dem ›Wall Street Journal‹ in die Küche. Er beugt sich zu Annabel hinunter und drückt sie an sich, während sie versucht, sich freizumachen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
    »Iiiih, du bist ja ganz nass«, ruft sie.
    »Kaffee, Dr.   Marx?«, fragt Delfina.
    »Guten Morgen, Delfina«, sagt Barry.
    Wenn er Delfina wirklich mal anschauen würde, könnte er sehen, dass sie unentschlossen dasteht und an ihrem Ring dreht. Doch sie bringt es nicht fertig, ihn nach dem Brief zu fragen.
    »Nein danke, im Moment keinen Kaffee«, erwidert Barry, legt die Zeitungen auf den Küchentisch und geht auf Strumpfsocken ins Badezimmer. Er nimmt rasch eine heiße Dusche und zieht Hemd und Hose an, ehe er zum Telefon greift. Ich bin froh, dass mein Vater rangeht.
    »Dan«, sagt Barry, doch sein Versuch, herzlich zu klingen, misslingt.
    Mein Vater weiß Stimmen zu deuten wie Wahrsagerinnen Handflächen. »Alles okay in New York?«
    »Annabel geht’s prima«, erzählt Barry, an den Details hapert esallerdings ein wenig. »Ja, sie wächst wie Unkraut und kann schon ein paar Buchstaben lesen.«
    »Oh, schön.« In Chicago ist es noch nicht einmal sieben. »Wa rum rufst du denn so früh an?«
    Barry trommelt mit den Fingern auf dem Nachttisch. »Dan, ich habe einen Brief gefunden«, sagt er. »Von Molly.«
    Seit meinem Tod hat mein Vater fünf Kilo zugenommen, vor allem im Gesicht. Er streicht sich über die hängenden Wangen. »Tatsächlich?«
    »Ich möchte ihn dir vorlesen«, sagt Barry.
    Kann ich das allein ertragen,
denkt mein Vater. Meine Mutter, die in letzter Zeit an Schlaflosigkeit leidet, hat letzte Nacht stundenlang einen Krimi gelesen und schläft noch. Seine Frau ist beinahe eine Heilige, doch wenn man sie aufweckt, kann sie zuschnappen wie ein Jack-Russell-Terrier und ist erst nach der zweiten Tasse Kaffee ansprechbar.
    »Dan, bist du noch dran?«, fragt Barry.
    »Ich rufe dich in zehn Minuten zurück, Barry. Claire sollte das auch hören.«
    Zehn Minuten oder zehn Stunden, Barry erscheint beides wie eine Ewigkeit. Nach fünfunddreißig Minuten klingelt das Telefon.
    »Barry, mein Lieber«, sagt meine Mutter. »Guten Morgen. Lies uns den Brief vor, den du gefunden hast.«
    Sie nimmt es gefasst auf, bis Barry zu dem Absatz über sie selbst kommt.
    Niemand kann Dir beibringen, eine Mutter zu sein, Annabel. Ich hatte Glück, denn ich hatte Granny Claire, die beste Mutter der Welt, die gar nicht ahnte, dass sie mir jeden Tag zeigte, wie ich eines Tages selbst zu einer guten Mutter werde. Sie hat ganz besondere Kräfte. Als ich klein war, brauchte sie mich nur anzusehen, und schon wusste sie, ob ich Fieber hatte, einen Graham-Cracker wollte oder mich mit Lucy gestritten hatte.
    Meine Eltern sitzen Seite an Seite da, beide mit einem Telefonhörer am Ohr, und fassen sich bei der Hand, als Barry fortfährtmit der Lobeshymne auf die goldenen Tugenden meines Vaters und schließlich auch das noch vorliest, was ich für weise Einsichten gehalten habe.
Heirate keinen Mann, der findet, dass du zu viel redest, der dich nicht mindestens zweimal am Tag zum Lachen bringt oder der vor dir furzt, ohne dass es ihm peinlich ist. (Letz
teres brauchst Du nach einem halben Jahr Beziehung nicht mehr so ernst zu nehmen.)
Trage nie Schuhe mit Knöchelriemchen, falls deine Beine nicht sehr viel länger werden sollten als meine.
Lerne, wie man ein Huhn brät.
Auch wenn Chinesisch noch so nützlich ist, lerne Französisch. Dann fühlst Du Dich in Paris ganz wie zu Hause, wenn Du als Studentin – hoffentlich – ein Jahr dort verbringst. Und wenn Du es tust, trink im
Angelina
eine heiße Schokolade.
Drucke Deine Fotos aus und klebe sie in ein Album. Beschriften! Datum!
Vergeude keine Zeit damit, Kontostände zu prüfen.
Wenn

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