Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
Do-It-Yourself«, gab er zu. »Das würde mein Leben zu einfach machen, und außerdem ist es verdammt schwierig, sich umzubringen, indem man mit dem Fahrrad vom Weg abkommt. Falls sie nicht eigentlich in den Fluss fahren wollte, um sich zu ertränken, und esverpatzt hat. Nein, heute tendiere ich zu einem ganz bösen Unfall.«
Einfach dumm gelaufen,
denkt Hicks.
»Bestimmt hat die Schwiegermutter einen Auftragskiller angeheuert«, sagt Detective Gonzalez mit einem angedeuteten Lächeln, das ihr herbes Gesicht fast schön erscheinen lässt. »In meiner Zeit als Lehrerin habe ich den Eltern immer gesagt: Es ist ein lebenslanger Job, loslassen zu lernen. Die will ihren Jungen doch noch heute ganz für sich.«
»Meinst du?« Hicks steht auf, den Kaffeebecher in der Hand. »Ich wusste gar nicht, dass du mal Lehrerin warst. Da wird mir ja ganz anders, wenn ich mir vorstelle, dass man dich auf beeinflussbare junge Gemüter losgelassen hat.«
Detective Gonzalez sieht zur Decke. »Du weißt eine ganze Menge nicht. Ich bin eine Frau voller Geheimnisse.«
»Und wie beweise ich, dass Kitty Katz es getan hat?«
»Nicht mein Fall.« Detective Gonzalez trinkt ihren Kaffee aus und schraubt einen schillernd orangeroten Lippenstift auf, ihr Markenzeichen. Sie braucht nicht mal einen Spiegel, um ihn aufzutragen.
»Das ist doch ein uraltes Klischee, GG. Hasst
deine
Schwiegertochter dich etwa?« Hicks war letztes Jahr zur Hochzeit von GGs Sohn eingeladen, der achtzehn und schon Vater war.
»Maria liebt mich.«
»Kitty Katz hat mehr oder weniger dasselbe über Molly gesagt.«
Was? Das Gespräch muss ich verpasst haben.
»Und was ist mit dieser Irren, der Schwester?«
»Lucy Divine ist doch keine Irre«, sagt Hicks. Sie wurde nur leider am Tag meines Todes von keinem Tankwart im Bundesstaat Wisconsin gesehen. Die Notizen über Lucy in Hicks’ Akte haben den Tenor
ernsthaft, neidisch, reizbar, bitter.
»Von der Liste habe ich sie allerdings noch nicht gestrichen.« Doch je besser er Lucy kennenlernt, desto sympathischer wird sie ihm.
Sie ist keine Mörderin,
sagt ihm sein Instinkt.
»Und der böse Bube, was ist mit dem?«
»Der untreue Dr. Seltsam?« Hicks setzt sich auf den Rand von Detective Gonzalez’ Schreibtisch, wirft seinen Kaffeebecher in den Mülleimer und lehnt sich an die Wand.
»Ich dachte an den anderen Kerl«, sagt Detective Gonzalez. Wenn Hicks nicht da ist, habe ich sie lange und intensiv Lukes Foto betrachten sehen. Da haben wir beide etwas gemeinsam.
»Ich selbst tendiere mehr zu unserem Doktor. Aber sie sind beide noch auf der Liste.« Vorhersehbar wie Spam ruft Barry jeden Tag bei Hicks an und fragt: »Was gibt’s Neues, Detective?« Doch die Beharrlichkeit meines Ehemannes hat Hicks nicht von seiner Unschuld überzeugt. Weder er noch Luke können zweifelsfrei nachweisen, wo sie zum Zeitpunkt meines Todes gewesen sind.
»Und die Freundin und ihr Latina-Schnuckelchen?«
Peng.
Die Erwähnung von Brie trifft Hicks mitten ins Herz. Sein strenges Detective-Ich schreit
Unprofessionell!,
doch innerlich legt er vor Freude über den letzten Samstag einen kleinen Steptanz hin. Brie soll sein Geheimnis bleiben. Diese noch ganz neue Liebesbeziehung – wenn er es überhaupt so zu nennen wagt – will er nicht den verbalen Attacken seiner lieben, aber zynischen Freundin GG aussetzen. Früher haben sie sich gelegentlich über die Probleme ihrer romantischen Verstrickungen unterhalten, doch für solche Gespräche hat es schon lange keinen Anlass mehr gegeben. Und jetzt ist er noch nicht bereit, den erstaunlichen Fall der Anwältin Sabrina Lawson und des Detective Hiawatha Hicks vorzutragen und zu analysieren.
»Die Freundin kann nachweisen, dass sie am fraglichen Abend in São Paulo war. Und Miss Vega? Molly Marx scheint ihr ziemlich egal gewesen zu sein, so oder so. Ich wüsste nicht, warum sie ihretwegen derart durchdrehen sollte.«
»Du kennst dich mit südamerikanischen Frauen nicht sehr gut aus, was, Hi?«
»Nein«, gibt er zu. »Ich würde sogar sagen, ich kenne mich mit keiner Sorte Frau besonders gut aus, GG.«
Vor allem nicht mit Molly.
39
Wie klein die Welt doch ist
Es goss wie aus Kübeln, aber wen störte das? Mich nicht. Das Leben meinte es gut mit mir. Wir waren am Samstag auf eine Party eingeladen und ich hatte letzte Woche ein Kleid dafür gekauft – einen Traum aus burgunderrotem Samt, der auch noch um vierzig Prozent reduziert war. Hatten sich etwa die wahren Edelshopper New Yorks
Weitere Kostenlose Bücher