Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
gesprochen?«
»Gestern Abend«, sagt Brie, als das Essen kommt.
»Ach ja?« Jetzt steht Lucy vollends auf Kriegsfuß mit Hicks. Wie kommt der Kerl dazu, eine bloße Freundin einer Blutsverwandtenvorzuziehen? »Und was hat der große Kriminalist zu sagen?«
Nichts, was Brie wiederholen möchte. Sie isst etwas Wasserkresse und hält Messer und Gabel so, als wäre sie bei den von Sowieso in Wien aufgewachsen und nicht außerhalb von Portland als Tochter von Sunshine und Herb Lawson, zwei dürren Töpfern in Birkenstocksandalen.
Bries Tischmanieren gehen Lucy auf die Nerven. »Mir scheint, du verheimlichst mir etwas«, sagt sie in einem Ton, der bei ihren Schülern immer verfängt.
Jackson, raus jetzt – es ist Essenszeit! Emily! Sieh mich an. Sofort.
Brie neigt den Kopf, versucht, keine Miene zu verziehen, doch sie kann ein Lächeln nicht unterdrücken. »Lucy«, flüstert sie. »Gestern Abend ist etwas höchst Erstaunliches geschehen. Hicks und ich haben miteinander geschlafen.«
Lucy hat eine Menge Freunde – Lehrerkollegen, Lauffreunde, frühere Kommilitonen, Nachbarn jeder Couleur, Hunde, Katzen, Hamster, die Alten in dem Zentrum, in dem sie ehrenamtlich hilft, und die Kleinkinder von Freunden. Doch eine Freundin wie Brie hat sie nicht, eine, die fast tausend Dollar die Stunde abrechnet und etwas mit einer vornehmes Kastilisch lispelnden südamerikanischen Erbin hat.
»Und was ist mit Isabella?«, platzt Lucy heraus.
Ist
eine
Geliebte etwa nicht genug?
»Isadora, meinst du? Das hat nicht funktioniert. Wir wollten nicht dasselbe.«
Kann diese Frau sich nicht für ein Geschlecht entscheiden? ,
denkt Lucy
Das ist verdammt unfair. Ich habe seit acht Monaten keine Verabredung gehabt, und es ist ja auch nicht so, dass Hicks mir nicht aufgefallen wäre. Ich hab schließlich Augen im Kopf.
Brie spürt, welche Wut in Lucy tobt, und redet schnell weiter. »Detective Hicks« – sie hat es noch nicht fertiggebracht, ihn Hi oder gar Hiawatha zu nennen – »ist anders als alle Männer, mit denen ich bisher zusammen war, bemerkenswert anders.« SeineKüsse waren so lang und zärtlich, dass sie am liebsten laut aufgestöhnt hätte, und er liebkoste sie, als sei sie eine Heilige, was Brie in Gegenwart dieses Mannes auf keinen Fall sein will und ihm möglichst schnell klarmachen muss.
Brie sieht von ihrem Salat zu Lucy auf und denkt:
Jetzt sag schon was. Benimm dich einmal wie eine Frau! Deine Schwester hätte mich gelöchert. Wie ist es passiert, hätte sie gefragt. Wart ihr beide betrunken? Wer hat was zuerst gesagt? Ich war noch nie mit einem Schwarzen zusammen – wie ist es? Äh, ist er – wie soll ich sagen – gut ausgestattet? Bringt er dich zum Lachen? Hört er dir zu? Bist du verliebt? Und was glaubst du, ist er in dich verliebt?
Brie hat recht. Ich würde losplappern wie einer dieser kreischenden Papageien, die man nach Mitternacht auf den Teleshoppingsendern bestellen kann. Ich möchte Brie gern umarmen. Ich habe Hicks und ihr die Daumen gedrückt. Er ist genau der aufrechte Typ, den eine Frau braucht, die es noch einmal mit den Männern versuchen will. Ich sage jetzt mal mutig voraus, dass Brie endlich ihr Gegenstück gefunden hat. Stimmt schon, so ganz selbstlos bin ich da nicht – vielleicht ist diese Beziehung ja der Tritt in den Hintern, den Hicks braucht, um meinen Fall zu lösen.
»Du und der Detective also«, sagt Lucy schließlich. »Da bin ich aber neugierig. Wie kam es dazu?«
Wie machen andere Frauen das nur?
Meine Schwester kommt sich so vor, als hätte jede andere Frau außer ihr (vielleicht in der ersten Tampon-Schachtel) eine mit Anmerkungen und Illustrationen versehene Anleitung erhalten, wie man einen Mann auf sich aufmerksam macht und hält.
»Es ist einfach passiert«, erwidert Brie – so ist es doch immer. Im einen Augenblick unterhält man sich noch über Kampagnen zur Präsidentschaftswahl, und schon im nächsten haben sich alle Atome neu angeordnet. Plötzlich ist da niemand sonst auf der Bowlingbahn, im Flugzeug oder im Haushaltswarenladen. Du siehst, wie er dich mit Blicken entkleidet – und ach, wie wunderbar wäre es, mit den Händen unter sein Hemd zu fahren.
Brie sieht eine Offenheit in Lucys Gesicht, die sie nie zuvor an ihr wahrgenommen hat, und meint den Bruchteil einer Sekunde lang mir gegenüberzusitzen. Jetzt haben sie einen Draht zueinander.
Könnte ich mich mit dieser Frau anfreunden,
fragt sich Brie.
Ich könnte eine Freundin gebrauchen.
In ihrem Herzen
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