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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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bricht sich das Genick, und wir beide müssen uns fortan ein Zimmer in der Ewigkeit teilen? Oder schlimmer noch – was, wenn Lucy, Brie, meine Eltern oder – denk gar nicht dran, Molly! – Annabel hier ankommen? Ich lasse meine Existenz wie schockgefroren erstarren, damit ich über keine dieser unaussprechlichen Vorstellungen nachdenken muss.
    Am vierten Tag erscheint Bob wieder. Er ist nicht allein, ein großer Mann ist bei ihm.
    »Das ist Sam, Molly«, sagt er. »Sam   – Molly.«
    »Aber   … aber   … was machst du denn hier?«, stottere ich ziemlich unhöflich heraus.
    »Die Frage stelle ich mir auch«, sagt dieser Sam. »Und wer seid ihr alle überhaupt?«
    »Molly ist deine Ratgeberin«, sagt Bob und hält Sam dann denselben Vortrag wie mir damals. Ortswechsel, Ewigkeit, Fähigkeiten, oben, unten, bla bla bla.
    »Was ist dir passiert, Sam?«, frage ich. Jetzt sollte ich mal nicht an mich selbst denken. Dieser arme Kerl ist in jenem posttraumatischen Zustand, an den ich mich noch gut erinnern kann: Schock, Ungläubigkeit und ständig die Frage, warum man den eigenen Puls nicht mehr fühlen kann. »Versuch dich zu erinnern.«
    Schließlich redet er. »Ich habe an diese Frau gedacht, der ich gerade begegnet war. Mich in Phantasien verloren, wie es wäre, wenn wir Kaffee trinken gingen und ich sie dazu überreden könnte, den ganzen Tag mit mir zu verbringen. Sie hatte irgendetwas an sich – dieses offene Gesicht, diese freundlichen Augen   … Und plötzlich hat sich einer meiner Hunde von der Leine losgerissen – wir waren im Park spazieren. Er ist über den Riverside Drive gerannt, und ich hinter ihm her, und dann lag ich auch schon unter einem Geländewagen, dessen Fahrer mit dem Handy telefonierte.« In einem Wortschwall bricht es aus ihm heraus. »Das ist alles, woran ich mich erinnere.«
    »Wie heißt der Hund, der weggelaufen ist?«
    »Sigmund.«
    »Bist du Professor?«, frage ich.
    »Nein.« Er sieht mich an, als hätte ich vergessen, mein Hirn einzuschalten.
    »Psychoanalytiker?«
    Bitte, sag nicht, dass ich diese Frau behandelt habe,
denkt Sam.
Gibt es eine Extrahölle für Freudianer, in der man bis in alle Ewigkeit dem Gejammer der Patienten zuhören muss – meine Mutter dies, meine Mutter das?
»Ja, ich bin Analytiker«, sagt er und erwähnt die New Yorker Gesellschaft für Psychoanalyse.
    »Warum fragst du?«, fügt er hinzu.
    »Du siehst einfach aus wie ein Psychoanalytiker, das ist alles. Könnte ganz nützlich sein hier.«
    »Wo zum Teufel ist
hier
überhaupt?« Sam fährt sich durch sein volles kastanienbraunes Haar, das für einen Toten bemerkenswert gesund aussieht.
    »Oh, das erkläre ich dir alles gleich, aber zuerst habe ich noch ein paar Fragen.« Ich sehe mich um, ob Bob irgendwo lauert. Nein. Trotzdem senke ich die Stimme, sicher ist sicher. »Sam, diese Frau, an die du bei deinem Unfall gedacht hast – wie war sie?«
    Sein Lächeln macht ihn schön, samt Lücke zwischen den Schneidezähnen. »Wundervoll«, sagt er und blickt ins Ungefähre, als säheer sie in diesem Moment vor sich. »Und das Verblüffendste war, dass sie der Typ Frau zu sein schien, der sich selbst so nie einschätzen würde. Fast genauso groß wie ich, braune Augen mit durchdringendem Blick, die jede Lüge durchschaut hätten. Ich sah in diese Augen und hatte sofort das Gefühl, dass wir füreinander bestimmt sind. Scheiße, ich wäre ihr für mein Leben gern gefolgt, als sie ging.« Er wendet seinen Blick wieder mir zu und schweigt eine Weile. »Weißt du, wenn das die Geschichte eines Patienten wäre, würde ich ihm sagen, dass er dieser Frau hätte nachgehen sollen. Wenn du jemandem begegnest und du weißt,
das ist sie
, dann steh nicht da wie ein Baum. Dein ganzes Glück kann davon abhängen, wie du auf einen einzigen verdammten Impuls reagierst. Darauf musst du achten.«
    Warum glaubt Bob, dass Sam und ich gut zusammenpassen würden? Ich habe keine Ahnung, was ich als Nächstes sagen soll. Am liebsten würde ich fragen, ob seine Hunde überlebt haben, doch das weiß er wahrscheinlich gar nicht. Und das Bild des sich auf der Straße windenden Sigmund – oder war es Hamlet – ist mehr, als ich vertragen kann. »Beruhig dich, Sam«, ist alles, was mir einfällt. »Du hast genug Zeit, das alles zu klären. Wie wir hier in der Ewigkeit immer sagen: einfach weiteratmen.«
    Er lacht, und ich weiß, wir werden uns prima verstehen.
    »Übrigens, dein Akzent gefällt mir. Bist du Australier?«
    »Nein,

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