Ich muss dir etwas sagen
alle wissen, wie Menschen auf negative Neuigkeiten
reagieren und fürchten deshalb, auf Ablehnung zu stoßen, sowie wir etwas Unangenehmes mitzuteilen haben. Wir befürchten
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Zurückweisung, weil wir den anderen brauchen, und das kann uns davon abhalten, ihn um Rat oder andere Dinge zu bitten.
Wir befürchten, ein Freund könne uns wegen unserer Kritik eine Abfuhr erteilen, und erzählen ihm deshalb vielleicht nicht, wie sehr seine ständigen Verspätungen nerven. Wir befürchten, daß Menschen, die ihre wahren Gefühle enthüllen, als kompliziert gelten oder daß wir uns damit in Verlegenheit bringen, deshalb gestehen wir einem anderen Freund beispielsweise nicht, daß sein dauerndes Machogehabe uns „tierisch auf den Senkel geht”.
Doch nicht nur große und brisante Enthüllungen wecken
unsere Befürchtungen. Sobald wir jemandem etwas sagen, was ihm nicht gefällt, besteht die Gefahr, daß er sich deswegen distanziert. Eine unangenehme Wahrheit effektiv zu erzählen beinhaltet, eigene Befürchtungen zu erkennen, nämlich die Angst, daß diese Wahrheit bei dieser Person aus diesen Gründen zu einer Zurückweisung führen könnte. Dann weiß man auch,
wie man seine Wahrheit erzählen muß, um solcher Ablehnung
vorzubeugen.
Konfliktscheue Menschen geraten meist deshalb in
Schwierigkeiten, weil sie meinen, eine eventuelle Ablehnung dadurch verhindern zu können, daß sie keinerlei unangenehme Dinge sagen. Aber die unausgesprochene Wahrheit kommt
letztendlich sowieso auf den Tisch. Und dann führen genau die Ängste, die zum Schweigen veranlaßt haben, zu der
befürchteten Ablehnung. Indem man sich diese Ängste bewußt macht, lassen sich geeignete Maßnahmen treffen, die sie
unberechtigt machen.
Die Angst vor Bloßstellung
Manchmal muß man seine Privatsphäre aufrechterhalten, um
sich sicher fühlen zu können. Auch im Umgang mit Menschen, die uns sehr nahestehen und vor denen wir eigentlich keine
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Geheimnisse haben wollen, brauchen wir geheime Nischen - ob es sich nun um sexuelle Phantasien handelt, die den Partner verstören könnten, oder um Pommes frites mit Mayonnaise, die man sich gelegentlich gönnt, wenn man sich unbeobachtet weiß.
Die Worte, die uns in dieser Hinsicht schwerfallen, öffnen immer auch ein Fenster auf einen verborgenen seelischen
Bereich. Dabei entspringt diese Angst dem Risiko, unerwartet bloßgestellt zu werden.
So erzählte zum Beispiel Brian seinen Kollegen, weshalb er sich so oft krank gemeldet hatte: Er litt an einer
Lymphdrüsengeschwulst, aber seine Chancen standen recht gut, nicht daran zu sterben, ja nicht einmal schwer zu erkranken.
Dummerweise enthüllte Brian seinen Gesundheitszustand in
einer sehr unangenehmen Phase, in der viele Kollegen um ihren Job bangten und ohnehin ziemlich mißtrauisch waren.
Außerdem formulierte er das Ganze sehr distanziert und gab seinen Kollegen keine Gelegenheit, auf die schlechte Nachricht zu reagieren oder mit ihm darüber zu reden.
So glaubten die meisten Brian nicht, sie waren vielmehr davon überzeugt, er wolle eine tödlich verlaufende Aidserkrankung verheimlichen. Die Kollegen, die sowieso schon Vorurteile
gegen Aidskranke hegten, behandelten ihn herablassend.
Andere, die ihn sonst wahrscheinlich unterstützt hätten, waren wegen seiner vermeintlichen Lüge wütend auf ihn, wollten ihn aber nicht damit konfrontieren. Brians Geschichte ist eine gute Illustration für diese Grundangst: Man befürchtet, andere
könnten Schlüsse ziehen, die man weder vorhersagen kann noch unter Kontrolle hat.
Die Angst vor Konflikten
Wir haben schon einige Verhaltensweisen konfliktscheuer
Menschen unter die Lupe genommen. Die Furcht vor einem
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Konflikt als solchem haben wir allerdings noch nicht betrachtet.
Diese Angst hat einige Ähnlichkeit mit der Furcht vor Wut, aber es gibt auch große Unterschiede. Im Grunde ist die Furcht vor Wut die Angst davor, was der andere tun wird. Angst vor
Konflikten hingegen ist die Furcht, sich womöglich gezwungen zu sehen, einen schmerzhaften und schwierigen Kampf zu
kämpfen, an dessen Ende man sehr viel verliert.
Angenommen, Sie und Ihr Partner machen in den Ferien seit
jeher immer das gleiche, und es fällt Ihnen außerordentlich schwer, zu sagen, wie langweilig Sie es finden, einen halben Tag am Strand zu liegen und in der anderen Hälfte Golf zu
spielen. Statt dessen würden Sie viel lieber große Städte und ein Museum nach dem anderen besuchen.
Aber können
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