Ich muss dir etwas sagen
Sie den Ärger wirklich brauchen, der zweifelsfrei über Sie hereinbräche, wenn Sie den Mund aufmachen? Sie
haben Angst vor all den Schwierigkeiten, die Sie in Kauf
nehmen müßten, um Ihren Partner zu dem gewünschten Wandel
zu bewegen. Sie denken an den Streit, der entstünde, sobald Sie Ihre Langeweile kundtun, vor allem, weil Sie diesen Müßiggang früher selber angenehm fanden. Und außerdem zerstörten Sie die Illusion Ihres Partners, daß beide die gleichen Dinge schön finden. Sie denken an den Kampf, den Sie führen müßten, damit Sie bekommen, was Sie wollen, ganz abgesehen von dem
Risiko, ab da getrennt in Urlaub fahren zu müssen - man weiß ja, wohin das führen kann…
Ihnen wird ganz anders bei dem Gedanken, wie der Kampf
vonstatten gehen wird: Sie werden sich im Bett streiten, wenn sie eigentlich schon längst schlafen wollen, und am
Wochenende und jedesmal, wenn sie gemeinsam ausgehen. Sie
können sich denken, welche Konzessionen Ihr Partner allein schon dafür verlangen wird, daß er das Ganze überhaupt in
Erwägung zieht - was noch nicht heißt, daß er sich auch darauf einlassen wird.
Sie wollen eigentlich vor allem Ihren Gefühlen Luft machen,
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aber das wären die Kämpfe, in die Sie hineingezogen würden.
Wir alle kennen solche Konflikte. Wir haben erlebt, wie es ist, unsere Gefühle mitzuteilen und uns prompt in einem kalten oder gar nicht so kalten Krieg wiederzufinden. Als ob verlieren nicht an sich schon schlimm genug wäre, so ist der Gedanke an einen endlosen Konflikt fast noch schlimmer.
Wie man Ängste schnell überwindet
Ängste lassen sich oft viel schneller überwinden, als man meint.
Fragen Sie sich: Wo habe ich dieses Resultat früher schon einmal erlebt? Wenn Sie beispielsweise befürchten, Ihr Gegenüber könne Sie anschreien, so erinnern Sie sich an das letzte Mal, wo Sie angeschrien wurden, nachdem Sie etwas
Unangenehmes geäußert hatten. Vielleicht fällt Ihnen ein
Kindheitserlebnis ein, aber vergessen Sie nicht die jüngere Vergangenheit: Viele Menschen übersehen, daß man auch als
Erwachsener Erfahrungen macht, die zu Befürchtungen und
Ängsten führen.
Entscheidend ist allerdings nicht, wann es geschehen ist,
sondern wie dieses Ereignis auf Sie gewirkt hat. Manchmal
führen Reaktionen auf unangenehme Wahrheiten zu
eingefleischten Überzeugungen. Wer als Kind beispielsweise vor einem bellenden, zähnefletschenden Hund zutiefst erschrak, erlernte somit ein Reaktionsmuster, das sich nun bei ihm auf Hunde allgemein bezieht. Wo immer er einem Hund begegnet,
reagiert er so, wie er es als Kind „gelernt” hat. Genauso wurden Sie „programmiert”, als man Sie zum ersten Mal anschrie, weil Sie Ihre Wahrheit äußerten: Von nun an wappnen Sie sich gegen diese Reaktion.
James' Geschichte
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Etwas in der Art ist allen konfliktscheuen Menschen
geschehen wenngleich sich viele nicht mehr an die „Lektion”
erinnern. James beispielsweise glaubte, in der Kindheit nie eine schlechte Erfahrung gemacht zu haben, als er die Wahrheit
äußerte. Er war davon überzeugt, jeder in seiner Familie habe ungestraft sagen können, was er wollte. Da er jedoch merklich Schwierigkeiten hatte, manche Dinge zu äußern, kamen mir als seinem Therapeuten Zweifel. „Sind Sie ganz sicher”, fragte ich,
„daß alles, was Sie gesagt haben, gut aufgenommen wurde und Sie sich dabei immer wohlfühlen konnten?”
Die Furcht benennen
Natürlich war dem nicht so. Als James genauer überlegte,
wurde ihm unverhofft ein machtvolles Tabu bewußt, das nahezu unsichtbar gewesen war: Es war absolut tabu, die Eltern zu kritisieren. Er wurde zwar nicht direkt dafür bestraft, aber sowie er etwas Negatives über seinen Vater oder seine Mutter äußerte, reagierten sie mit Kälte oder verletzten Gefühlen. Wenn er beispielsweise Kritik an seinem Vater äußerte, reagierte seine Mutter mit kalter Stimme, es gefalle ihr nicht, ihn solche Dinge sagen zu hören. Kritisierte er seine Mutter, so gab sein Vater ihm zu verstehen, es sei grauenhaft und abscheulich, so etwas zu sagen, und kaum anders, als hätte er seine Mutter geschlagen.
James' Unfähigkeit, Kritik zu äußern, ohne sich dabei in
großer Gefahr zu wähnen, hatte schlimme Folgen. Weil er es anderen nicht sagen konnte, wenn sie ihre Arbeit schlecht
verrichteten, war er als Chef oder im Team kaum zu
gebrauchen. Also arbeitete er allein und an unbedeutenden
Aufgaben.
Auch seine persönlichen Beziehungen
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