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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis Harry sich wieder zu ihr gesellte.
    Er nahm ihre Reisetasche. „Gehen wir?"
    Sie drehte sich nicht um, um nachzuschauen, ob der andere Mann sie beobachtete, sondern folgte Harry geradewegs zur Kutsche. „Wer war das?"
    „Baron Weston. Wir kennen uns schon seit Harrow." Harry übergab ihre Tasche dem Kutscher, half Emma beim Einsteigen und setzte sich neben sie.
    „Ist er ein guter Bekannter von dir?", wollte Emma. wissen. Als Harry nickte, fuhr sie flüsternd fort, damit der Kutscher auf dem Bock nichts mit anhören konnte. „So gut, dass er weiß, ich bin weder eine deiner Schwestern noch eine deiner Cousinen?"
    „Ja. Fahren Sie los", wies Harry den Kutscher an.
    „Hat er sich erkundigt, wer ich bin?"
    „Nein, Emma." Er bemerkte ihren zweifelnden Blick. „Er hat überhaupt nicht nach dir gefragt. Männer haben da eine Art Kodex, wie man sich in solchen Angelegenheiten verhält."
    „Nichts sagen und nichts fragen?"
    „Genau."
    Damit schien das Thema erledigt zu sein, doch Emma war klar, für was für eine Frau Baron Weston sie hielt, und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
    Den ganzen Abend musste sie immer wieder an den Baron denken, an Mrs. Morris, die Inkberrys und an all die verstohlenen, bedrückenden Heimlichkeiten, die eine verbotene Affäre mit sich brachte. Diese Überlegungen machten sie ganz trübselig.
    „Du bist so still heute Abend", stellte Harry fest, als sie zusammen das Geschirr abwuschen. „Grübelst du immer noch über Weston nach?"
    „Ich grübele nicht", behauptete Emma und reichte ihm einen nassen, sauberen Teller zum Abtrocknen.
    „Emma, er kennt dich nicht", beruhigte er sie. „Er weiß nicht einmal, wie du heißt. Er ist nur hier, weil eins seiner Rennpferde beim Kent Field Derby startet. Er hat keine Verwandten und Bekannten hier."
    „Er hält mich bestimmt für irgendeine Cancantänzerin, Schauspielerin oder sonst eine Frau mit unmoralischem Charakter. ”
    „Nun, wenn er so etwas annimmt, dann irrt er sich, nicht wahr? Heutzutage ziehe ich hochgeistige weibliche Gesellschaft vor." Er warf das Küchenhandtuch zur Seite, stellte sich hinter Emma und umschlang ihre Taille. „Weston wird deinem Ruf keinen Schaden zufügen. Wie ich schon sagte, er kennt dich gar nicht. Und selbst wenn, so habe ich dir ja erklärt, dass Männer in solchen Situation sehr diskret sind. Warum sollte es dir also etwas ausmachen, was er für ein Bild von dir hat?"
    „Es macht mir etwas aus, Harry. Ich bin nicht wie du, und das weißt du. Ich kann die Meinung anderer nicht einfach so an mir abperlen lassen wie du."
    Sie hielt im Abwasch inne, blickte zum Fenster hinaus und musste unwillkürlich daran denken, wie begrenzt der Horizont in ihrem Leben geworden war. Sie sah die Zukunft vor sich, und es schmerzte zu wissen, dass heimliche Wochenenden auf dem Land das Einzige waren, das sie je mit Harry teilen würde.
    Ihr fiel das alte Paar ein, das immer Hand in Hand ging, und ihr war bewusst, dass das mit Harry niemals so sein würde. Sie würden nicht zusammen alt werden. Das rote Samtetui fiel ihr ein. Sie würden auch nie gemeinsame Kinder haben. Das Herz wurde ihr plötzlich bleischwer, denn eines Tages würde diese Affäre vorüber sein, und dann blieben ihr noch die Erinnerungen an ihn.
    Harry schlang die Arme fester um sie. „Es hat keinen Sinn, sich über Westons Meinung den Kopf zu zerbrechen", sagte er und küsste Emma auf die Schläfe. „Wir können ohnehin nichts daran ändern."
    Du könntest mich heiraten.
    Emma versuchte, diesen Gedanken sofort wieder zu verdrängen. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass Harry weder sie noch irgendeine andere Frau heiraten würde. Trotzdem hatte Emma sich für diese Affäre entschieden und das in den letzten beiden Monaten nicht einmal bereut. Sie war glücklich.
    Überglücklich sogar. Sie trocknete ihre Hände ab, legte sie über seine und lehnte sich an seine breite, Trost spendende Brust. Glücklicher als sie in ihrem ganzen bisherigen Leben gewesen war. Und das war das Bedrückendste von allem.
    Emmas Stimmung hellte sich, auch am kommenden Tag nicht auf. Sie war von Haus aus nie besonders gesprächig gewesen, aber an diesem Wochenende wirkte sie auffällig geistesabwesend. Harry wusste, dass sie immer noch niedergeschlagen war wegen des Vorfalls am vergangenen Nachmittag. Er hätte um nichts in der Welt etwas an ihr verändern mögen, doch manchmal wünschte er, sie würde nicht so furchtbar viel Wert darauf

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