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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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fünf Jahre zuvor gestorben, und es war sehr schüchtern und hatte nicht viele Freunde. Es war dreizehn Jahre alt, und Mädchen sind in diesem Alter schrecklich durcheinander. Es hatte auch Angst, weil es jeden Monat blutete und nicht wusste, warum. Es glaubte, vielleicht sterben zu müssen. Niemand hatte je mit ihm über so etwas gesprochen."
    Ein schmerzhaftes Ziehen breitete sich in Harrys Brust aus. Diese Geschichte erfand sie nicht. Er lehnte sich an das Kopfbrett und beobachtete, wie Emma sich zusammenkauerte und die Knie an die Brust zog.
    „Es gab niemanden, den es zu solchen Dingen befragen konnte. Es durfte auch seiner Tante nicht schreiben, die sich nicht mit seinem Vater vertrug. Und die Haushälterin, die jeden Tag zu ihnen kam, war eine energische Dame aus Deutschland. Sie war viel zu Respekt einflößend für ein schüchternes Mädchen, es konnte sie unmöglich um Rat bitten."
    „Vollkommen verständlich also, dass es sich ein Tagebuch wünschte."
    „Sein Vater wollte ihm nicht das Geld für ein Tagebuch geben — sie waren sehr arm und konnten sich etwas so Sinnloses nicht leisten, wie er sagte. Aber das Mädchen wünschte es sich so sehr, dass es zum Barbier in dem Dorf ging, in dem sie lebten, und sich das Haar kurz schneiden ließ. Es verkaufte das abgeschnittene Haar und erstand von dem Geld ein Tagebuch. Als das Mädchen nach Hause kam, war sein Vater schon in den Pub gegangen."
    Das Ziehen in Harrys Brust wurde zu einem wütenden Brennen. Er konnte es sich nicht leisten, seiner Tochter eine Tagebuch zu kaufen, aber das Geld für den Pub hatte er? Scheusal.
    „Es blieb in jener Nacht lange auf und schrieb und schrieb. Über Jungen, hübsche Kleider, darüber, wie es sich seine Hochzeit vorstellte — eben über all die Dinge, von denen Mädchen träumen. Du als Mann kannst das wahrscheinlich nicht so gut nachvollziehen."
    „O doch. Ich habe schließlich drei Schwestern."
    „Dann kannst du ja ein bisschen verstehen, wie das Mädchen sich fühlte.” Emma drehte den Kopf zur Seite, legte die Wange auf ihr Knie und lächelte Harry an. „Das Mädchen fand es herrlich. Es war eine solche Erleichterung, sich das alles vom Herzen zu schreiben, alles, was es fühlte, dachte und über das Leben wissen wollte. Dann kam sein Vater nach Hause und sah, was geschehen war. Das Mädchen hatte sich schon gedacht, dass er böse sein würde, aber war trotzdem zu dem Barbier gegangen. Schließlich wachsen Haare auch wieder nach, dachte es, also konnte es nicht so schlimm sein. Sein Vater ... sah das nicht ganz so."
    Harry schloss einen Moment lang die Augen. Er wollte nicht wissen, wie es weiterging. Er wollte es nicht hören. Zähneknirschend schlug er die Augen wieder auf. „Erzähl weiter."
    Emma hob den Kopf, legte die Hand an ihre Kehle und sah in sich gekehrt vor sich hin. „Sein Vater besaß diesen Ring", fuhr sie fort. „Aus Silber, in Form eines Sterns."
    Harry wurde übel. „Und als er entdeckte, was das Mädchen gemacht hatte, was tat er da?"
    Eine ganze Weile herrschte Stille.
    „Er nannte es ein Flittchen, weil es sich die Haare hatte abschneiden lassen; er schlug es mit dem Handrücken ins Gesicht und verbrannte das Tagebuch. Und er sprach einen ganzen Monat lang kein Wort mit ihm." Sie schlang die Arme fest um ihre angezogenen Beine. „Dieses kleine Mädchen hat hinterher nie wieder ein Tagebuch besessen."
    Sein Zorn drohte Harry fast zu ersticken. Verzweifelt suchte er nach den richtigen Worten, aber sie wollten ihm nicht einfallen. Er verstand sich gut auf oberflächliches Geplauder, aber wenn es um Gefühle ging, verstummte er meist. Und außerdem, was konnte ein Mann schon dazu sagen?
    Aber da saß Emma zusammengekauert auf dem Bett, wahrscheinlich genauso wie dieses junge Mädchen mit der Wunde im Gesicht damals, starrte an die Wand und durchlebte noch einmal alles, was ihr widerfahren war. Harry, wusste, er musste zu ihr sprechen, und es musste das Richtige sein.
    Er atmete tief durch, legte die Hand an ihre Wange und wandte sich ihrem Gesicht zu, damit sie ihn vor sich sah und nicht die Vergangenheit. „Emma, Emma", schalt er so sanft wie möglich. „Und du sagst, du könntest keine Geschichten erzählen?"
    Sie erwiderte seinen Blick, und ihre Unterlippe bebte. „Ich habe das nicht erfunden, Harry", flüsterte sie.
    Er strich mit dem Daumen über die sternförmige Narbe auf ihrer Wange. „Ich weiß."
    „Aber was meinst du dann?"
    Er beugte sich zu ihr und küsste den winzigen

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