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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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legen, was die Leute dachten.
    Er sah von den Verträgen auf, die er gerade las, und drehte den Kopf zu ihr um. Sie saß neben ihm im Bett und ihm fiel auf, dass sie zwar das Bettpult vor sich und eine Feder in der Hand hatte, aber dennoch nicht schrieb. Stattdessen starrte sie vor sich hin.
    Er beugte sich zu ihr und stellte fest, dass das Blatt Papier auf dem Pult bis auf ein paar Kritzeleien und ein, zwei Tintenflecke völlig leer war. „Du kommst gut voran, wie ich sehe."
    „Hm? Wie bitte?"
    „Mit der Liste für Diana. Die wolltest du doch heute in Angriff nehmen, nicht wahr? Du wolltest dir etwas ausdenken für ihre Hochzeit mit Rathbourne."
    „Ja."
    Wieder beugte er sich zu ihr und sah auf das Blatt. „Aha", meinte er in gespieltem Verstehen. „Leere Blätter sind dieses Jahr wohl ziemlich in Mode, oder?"
    Sie lachte leise auf. „Meine Güte, ich habe ja noch gar nichts geschrieben! "
    „Das habe ich auch schon bemerkt. Was ist los, Emma? Immer noch diese Geschichte mit Weston?"
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich musste eben an dieses alte Paar denken."
    „Welches Paar?"
    „Du weißt schon, der alte Mann und die alte Frau, denen wir manchmal begegnen, wenn wir spazieren gehen."
    „Wir haben sie heute gar nicht gesehen. Wie kommst du auf die beiden?"
    „Durch die Hochzeit deiner Schwester. Ich saß da und wartete darauf, dass mir die Ideen nur so zufliegen, da fragte ich mich plötzlich, ob deine Schwester und Rathbourne in vielen Jahren auch so sein würden wie das alte Paar, ob sie dann auch Hand in Hand spazieren gehen würden. Und dann habe ich mir ausgemalt, wie die beiden alten Leute wohl sein mögen und ob sie verheiratet sind. Vielleicht sind sie ja auch wie wir und frönen am Wochenende der Sünde in irgendeinem Liebesnest. Vielleicht sind sie der hiesige Dorfskandal. Vielleicht ... "
    „Nun hör sich das einer an!", fiel er ihr lachend ins Wort, um sie ein wenig aufzuheitern. „Da grübelst du über diese Leute nach und erfindest Geschichten über sie. Du solltest einen Roman schreiben."
    „Ich? Einen Roman?"
    „Warum nicht? Du formulierst sehr gut. Du könntest das durchaus schaffen."
    „Und das sagt ausgerechnet der Mann, der behauptet hat, wenn ich als Mrs. Bartleby schriebe, dann klänge ich wie Tante Lydia", erinnerte sie ihn kläglich.
    „Als ich das gesagt habe, befand ich mich in einem Zustand tiefster Verzweiflung. Es tut mir leid, wenn ich dich damit in deinen Gefühlen verletzt habe."
    Sie hörte auf, auf dem Blatt herumzukritzeln. „Es tut immer weh, die Wahrheit zu hören."
    „Emma ..."
    „Es tut mir nicht mehr weh", versicherte sie ihm. „Du hast mich gewarnt, ich müsste lernen, Nackenschläge einzustecken. Außerdem hattest du recht. Wenn ich Mrs. Bartlebys Artikel verfasse, habe ich immer die Stimme meiner Tante im Kopf. Das ist im Grunde kein Problem, weil es sich um Sachtexte handelt. Aber einen Roman könnte ich niemals schreiben, da ich keine eigene Stimme habe."
    „Doch, die hast du. Du musst sie nur finden, und das bedarf einiger Übung. Ich denke, du solltest dich mal an einem kurzen Roman versuchen. Oder an Kurzgeschichten, wenn du meinst, das wäre leichter für den Anfang.”
    Emma legte die Feder hin und stellte das Bettpult neben sich auf den Fußboden. Dann blies sie die Kerze auf ihrem Nachttisch aus. „Ich bin keine Geschichtenerzählerin, Harry", erklärte sie und schlüpfte unter ihre Bettdecke.
    „Unsinn", wehrte er ab und legte seine eigene Arbeit weg. „Erzähl mir eine Geschichte."
    Sie wandte den Kopf zur Seite und sah ihn an. „Jetzt sofort?"
    „Jetzt sofort." Er lehnte sich zurück in die Kissen. „Leg los, Scheherazade."
    „Und wenn du die Geschichte nicht magst, werde ich dann im Morgengrauen hingerichtet?", fragte Emma lächelnd.
    „Die einzige Strafe, die du von mir zu erwarten hast, ist allenfalls Kritik, aber nicht einmal die werde ich üben, das verspreche ich dir. Ich werde einfach nur zuhören. Ich werde dir sogar helfen und den Anfang machen. Es war einmal ..."
    Sie stöhnte. „Das ist so abgedroschen."
    „Nun, das ist ja auch erst einmal ein grober Entwurf. Komm schon, halte mich nicht länger hin. Erzähl mir etwas."
    „Also gut." Sie dachte eine Weile nach. „Es war einmal ein junges Mädchen, das wünschte sich ein Tagebuch."
    „Gut", ermutigte er sie. „Sehr gut. Weiter so.
    Emma setzte sich im Bett auf. „Es war einsam, musst du wissen, und es hatte niemanden, mit dem es reden konnte. Seine Mutter war

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