Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
Schluss meinte Kroll: »Ich wollte Herrn Lazarz ablehnen.« Der Angeklagte war zum Ankläger geworden. Sein diffuser Vortrag wurde aber erst dann verständlich, als Klaus Vogt, der zweite Pflichtverteidiger, das Ansinnen seines Mandanten in einen Antrag umformulierte.
Es ging um einen Mithäftling Krolls, der ihn mit einer in einem Tabakpäckchen versteckten Kamera in der Zelle fotografiert hatte – gegen ein Honorar von 500 Mark, von dem er angeblich nichts bekommen hatte. Hinter dieser Intrige vermutete er seinen Anwalt. Kroll hatte zudem Lazarz die Rechte an seiner Lebensgeschichte »als Honorar« abgetreten. Dafür waren von der Illustrierten STERN 10000 Mark gezahlt worden, die Lazarz allein für sich behalten haben sollte, so die böswillige Unterstellung seines Mandanten. Kroll fühlte sich von seinem Anwalt übers Ohr gehauen, er hatte kein Vertrauen mehr.
Lazarz war eigentlich angetreten, um Kroll zu verteidigen, jetzt musste er sich unversehens erst einmal selbst rechtfertigen. Der Jurist, der als Pflichtverteidiger pro Verhandlungstag 375 Mark erhielt, machte wenig später eine andere Rechnung auf. Von den insgesamt 15500 Mark, die er auf einem Sonderkonto verwalte, habe er Kroll in dessen dreieinvierteljährlicher Untersuchungshaft bereits 5000 Mark in kleinen Teilbeträgen ausgezahlt. Auch müsse er von dem Gesamtbetrag Steuern zahlen. Allein hierdurch hätte sich das Konto nahezu um die Hälfte reduziert. Lazarz sprach auch von »Animositäten« und »Manipulationen« seines Mandanten, der interessiert, aber verständnislos zuhörte. Offenbar war Kroll die angebliche Übervorteilung von seinem Zellenkumpan nur eingeredet worden. Abschließend wandte Lazarz sich seinem Mandanten zu: »Ich habe nicht einen Pfennig davon genommen, lieber Herr Kroll, da irren Sie sich.«
Die Dokumente, die Oberstaatsanwalt Hölting in der Zwischenzeit gesichtet hatte, schienen indes eher zu belegen, dass Kroll ein plumpes Doppelgeschäft machen und zweimal abkassieren wollte. Zuerst hatte er alle Rechte der »Kroll-Story« an Lazarz abgetreten und ihm dabei »völlig freie Hand« gelassen, »dieses Geld nach bestem Wissen und Gewissen zu verwenden«, auch als Anwaltshonorar. Einige Tage später hatte er nochmals alle Rechte an einen Mithäftling abgetreten, der ebenfalls den STERN bediente. Das Gericht musste nun darüber befinden, ob Lazarz weiterhin als Krolls Verteidiger fungieren durfte. Die Entscheidung wurde für die kommende Woche angekündigt, das Gericht vertagte sich.
Enttäuscht verließen die meisten Zuschauer den Saal. Kein Nervenkitzel, kaum Spannung, zu wenig Horror. Vom »Menschenfresser-Prozess« hatte man sich einfach mehr erwartet. Die Besucher waren lediglich auf einem Nebenkriegsschauplatz Zeugen eines juristischen Scharmützels geworden. Über die grauenhaften Taten, die von Kroll bei der Kripo zunächst gestanden und später widerrufen worden waren, hatten sie nur wenig erfahren.
Eine Woche später berichtete der STERN in eigener Sache: »(…) Zu Prozeßbeginn wurde der STERN- Bericht (Nr. 40/1979, »Die Strecke des Jägers«) stundenlang debattiert. Der Angeklagte Joachim Kroll wollte seinen Pflichtverteidiger Dietrich Lazarz mit der Begründung loswerden, der Anwalt habe hinter seinem Rücken seine Geschichte an den STERN verkauft. Das Gericht lehnte den Antrag letzte Woche mit der Begründung ab, der Anwalt Lazarz habe korrekt gehandelt. Der Jurist wies nämlich nach, daß Kroll ihn zur Weitergabe von Informationen schriftlich ermächtigt hatte. Das bezahlte Honorar kommt Kroll voll zugute – wenn auch sicherheitshalber nur in Raten. Denn wann immer der Häftling Kroll sonst über Geld verfügt, machen sich Häftlinge an ihn heran, schwatzen ihm das Geld ab und dafür immer neue Ideen auf. Sie redeten dem unbeholfenen Häftling ein, er könne mit seiner Lebensgeschichte Millionen verdienen, wenn er nur einen anderen Verteidiger habe. Beim Kampf um die schrecklichen Kroll-Memoiren hatte sich ein Krefelder Rechtsanwalt im Auftrag eines Hamburger Zeitungskonzerns gemeldet, der Kroll für Rechnung seines Arbeitgebers kostenlos verteidigen sollte. Der STERN hatte von Rechtsanwalt Lazarz hingegen das Recht erworben, aus den psychiatrischen Gutachten zu zitieren, die zu erklären versuchen, weshalb der unscheinbare Mann acht Menschen ermordet haben soll. (…)«
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»KROLL-PROZESS:
ÖFFENTLICHKEIT
HEUTE
AUSGESCHLOSSEN.«
Diese Mitteilung prangte immer
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