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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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herausrücken, was Sie denn jetzt genau beruflich machen.«
    » Ich bin Lektorin«, antworte ich schnell und bin froh, schon in frühster Kindheit gelernt zu haben, mit vollem Mund zu sprechen, und zwar so, dass man mich trotzdem noch versteht. Außerdem drücke ich mich so für einen Moment um den nächsten Bissen. » Und Autorin.«
    Mist, das war doof! Jetzt fragt sie gleich, über was ich so schreibe, und dann muss ich sagen: über das Liebesleben Ihres Sohnes. Das kommt bestimmt super an.
    Nein, es kommt besser. Konrads Mutter geht nämlich gar nicht auf meine Schreiberei ein, sondern begleitet mit einem bitterbösen Augenbrauenhochziehen ihren nächsten Satz. » Ach so. Und ich hatte die Hoffnung, Sie würden etwas Vernünftiges machen.«
    Joah. Wo nur Rasenmäher wohnen, haben’s Blumen ganz schön schwer. Könnte schwierig werden, darauf zu antworten, ohne die Contenance zu verlieren.
    Ich lächle einfach nur und schlucke alles runter, was mir gerade auf der Zunge liegt. Und gleich das nächste Stück staubtrockenen Wüstenkuchen hinterher!
    Konrad reagiert an meiner statt. » Mama!«, zischt er böse.
    Mama reagiert nicht, sondern stiert mich weiter scharf an. Dann sagt sie, und sie tut es mit einer so hinterhältigen Beiläufigkeit in der Stimme, dass ich den Sachverhalt nicht gleich erfasse: » Übergeben Sie sich eigentlich immer noch auf die Schuhe anderer Leute? Oder haben Sie Ihr Alkoholproblem mittlerweile im Griff?«
    » Scheiße!«, flucht Konrad und steht auf. Und zerrt mich an der Hand gleich mit. » Mama, ich hab dir gesagt, du sollst dich zusammenreißen!«
    Hat er?
    » Ich hab dir gesagt, dass du sie nicht drauf ansprechen sollst!«
    Hast du?
    » Ich kann es nicht fassen!«
    Ich auch nicht!
    Konrad rennt hinaus in den Flur, mich schleift er an der Hand hinterher.
    Seine Mutter bleibt mit bleierner Miene am Kaffeetisch sit zen.
    Konrads Vater fragt laut: » Was ist denn passiert? Geht Juli schon wieder?«
    » Ja, und dafür kannst du dich bei Mama bedanken!«, ruft Konrad ins Wohnzimmer.
    Und Mama ruft zurück: » Ich will dich doch nur beschützen!«
    Beschützen? Wovor? Vor mir? Die Axt im Haus erspart ja bekanntermaßen den Zimmermann. Mir fehlen die Worte. Schnell schlüpfe ich in meine Schuhe, die mir Konrad ungeduldig hinhält, werfe mir meine Jacke über und stolpere aus der Haustür. Und gerade als Konrad mich die spießigen Steinstufen des spießigen Reihenmittelhauses in den spießigen Vorgarten hinunterschubst, macht Konrads Mutter mir noch ein besonders liebevolles Abschiedsgeschenk.
    » Sie ist nicht N-A-D-I-N-E!!! «
    Ja. Das habe ich leider auch schon bemerkt.

Das Schwiegermonster
    Mittwoch, 12 . Januar, um 09 : 03 Uhr
    Seit unserem panischen Verlassen des Kaffeetisches haben Konrad und ich kein Wort über den Vorfall verloren. Ich merke, ohne dass Konrad es mir sagen muss, dass er nicht darüber reden will. Ich lasse ihn. Auch wenn ich mir mittlerweile wirklich schlimme Gedanken mache.
    Es liegt vollkommen auf der Hand, dass ich nicht Nadine bin. Ich war zwischenzeitlich sogar ein bisschen traurig deswegen. Wie fühlt es sich wohl an, auf diesen endlosen Beinen seinen wohlgeformten Körper durch die neidisch aufblickende Welt zu tragen? Wie fühlt es sich an, von Konrads Mutter gemocht zu werden?
    Auf keine der Fragen finde ich eine Antwort. Ich bin in meine Gedanken versunken. Und verletzt. Ich erwarte nicht, dass sämtliche Schwiegermütter dieser Welt vor mir auf die Knie fallen und sich meinen Namen in ihr verwesendes Fleisch ritzen. Ich möchte nicht von jedem geliebt werden, noch nicht einmal gemocht. Everybody’s darling ist everybody’s Depp, das weiß doch jeder. Aber trotzdem: So ein bisschen, so ein ganz klitzekleines bisschen fände ich es schon schön, zumindest eine Chance zu bekommen.
    Gut, die Chance hatte ich wahrscheinlich. Mit neunzehn. Auf dem Abiball. Ist aber auch ein saublöder Zufall, dass ich ausgerechnet Frau Paulsen vor die Füße kotzte. Sie kam mir am Sonntag aber auch so gar nicht bekannt vor– ich muss an diesem Abend wirklich sehr viel getrunken haben. Blöd, so was. Ein blöder Start. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass ich bislang den Plan hatte, mir mit Konrad noch ein Weilchen länger die Zeit zu vertreiben.

Time to say goodbye
    Montag, 17 . Januar, um 20 : 49 Uhr
    Nadine. Sie ist überall. Wüsste ich es nicht besser, würde ich meinen, ich wäre in sie verliebt. Sie geistert durch meine Gedanken, meine Träume, meine

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