Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
Wahnvorstellungen. Mittlerweile bin ich nämlich zu der Überzeugung gelangt, dass ich unbedingt und sehr dringend zu Nadine werden muss. Oder zumindest zu jemandem, der ihr sehr ähnlich sieht.
Stellt sich die Frage, ob die Kasse das bezahlt.
Warum nimmt diese Frau so viel Raum ein? Ich habe das Gefühl, dass Nadine nicht nur zwischen mir und meinem Selbstwertgefühl steht. Nein, sie steht auch zwischen mir und meiner Schwiegermutter und, wenn das so weitergeht, auch bald zwischen mir und Konrad. Falsch. Nicht bald– sie steht schon zwischen uns.
Nadine klebt mir wie ein Stück Scheiße an der Schuhsohle. Und schuld daran ist das Schwiegermonster! So lange hatte ich Ruhe vor ihr, dem Schreckgespenst, so lange schon haben Konrad und ich Nadines Namen nicht mehr in den Mund genommen und uns anschließend selbigen nicht auswaschen müssen! Und was macht Frau Paulsen? » Sie ist nicht Nadine!« Mit einem Wisch ist alles weg. Oder vielmehr: Mit einem Satz ist alles wieder da.
Von den äußeren Faktoren mal abgesehen (das hab ich aufgegeben– es war zwecklos), vergleiche ich mich den ganzen lieben langen Tag mit meiner Vorgängerin. Wenn ich Konrad zum Lachen bringe, frage ich mich, ob Nadine ihn noch besser zum Lachen gebracht hat. Wenn Konrad mich umarmt, frage ich mich, ob er lieber Nadine umarmen wollen würde. War das Deutsch? Egal. Und wenn Konrad mit mir schläft– nein, lassen wir das besser, das wird zu demütigend.
Es kann nicht schön gewesen sein mit ihr. Es DARF nicht schön gewesen sein. Natürlich MUSS es irgendwann einmal schön gewesen sein, andernfalls gäbe es keinen vernünftigen Grund, warum Konrad und sie über drei Jahre ein Paar waren. Und selbst wenn ich Nadine wirklich mit jeder Faser meines Körpers zu hassen versuche, kann ich ihr, so gerne ich auch wollte, nicht jedes bisschen Freundlichkeit absprechen.
Ihre Facebook-Fotos zeigen sie lachend, umringt von Freunden (nein, nicht nur Männer, auch Frauen… aber vor allem Männer), in Unterhaltungen, auf der Tanzfläche, im Wald beim Spaziergang. Sie kann gar nicht das Ungeheuer sein, das ich so gerne in ihr sehen würde.
Ich denke weiter, bis ich auf eine sehr bittere Pille stoße. Es muss gute Gründe für Konrads Beziehung mit Nadine gegeben haben. (Wobei mir die Gründe für die Beziehung danach– und ich wähle absichtlich den Singular– wesentlich wichtiger sind!) Und für die Beziehung davor. Die Beziehungen. Mit anderen.
Es ist unerträglich, aber so muss es sein: Auch mit anderen hat es schöne Zeiten gegeben.
Diese Erkenntnis zwickt.
Natürlich würde ich gerne an etwas anderes glauben. Daran, dass es mit Nadine und den anderen nur doof war. Dass ich die Einzige, die Beste…
So viel Selbstverarsche beherrsche noch nicht mal ich.
Was wäre denn die Alternative? Dass Konrad gar keine Vergangenheit aufzuweisen hätte? Das wäre ja noch schlimmer! So ungern ich es auch zugebe: Es wäre schrecklich, wenn Konrad nicht früher schon Freundinnen gehabt hätte. Ich würde ja schreiend davonrennen, wenn Konrad mit Ende zwanzig immer noch an Muttis Rockzipfel hängen und alle anderen Frauen in einer Mischung aus Ehrfurcht und Forscherdrang aus der Ferne observieren würde. Das wäre ja der Super- GAU !
Andererseits: Nadine ist auch einer. Also, kein Rockzipfel.
Und wiederum andererseits: Ich bin ja bei Gott nicht die Erste, der dieses Dilema auffällt. Jede will einen Mann haben, der erfahren, souverän und entspannt durchs Leben geht. Aber er darf bitte keine andere Frau vorher gehabt haben. Und trotzdem will keine einen Mann haben, der noch bis Mitte dreißig zu Hause bei Mama wohnt und Sex nur von schmierigen Online-Plattformen, maximal vom Thailandurlaub kennt. Bäh! Ich suche, wieder einmal, die eierlegende Wollmilchsau. Und die gibt es nicht. Und deswegen muss ich endlich lernen, Nadine zu akzeptieren und mich nicht ständig mit ihr zu vergleichen oder mich von meinen Gedanken an sie fertigmachen zu lassen. Auch wenn ich weiß, dass Konrads Mutter mich lieber heute als morgen in den Geschichtsbüchern wüsste und stattdessen Nadine wiederaufleben lassen würde.
Mein neue Vorsatz muss also lauten: Vergiss Nadine! Denn in den Fußspuren einer anderen kann man einfach nicht überholen.
Es werde Licht
Dienstag, 18 . Januar, um 19 : 05 Uhr
Nachdem ich auf eine derart glorreiche Erkenntnis gekommen bin, kann ich es gar nicht abwarten, sie mit Konrad zu teilen. Aber der hüllt sich in Schweigen. Und einfach so auf meine
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