Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen
buddhistischen Weltanschauung. Nadine konnte mir gar nix!
» Hallo… äh…«, stotterte es schlecht geschauspielert aus der Leitung. » Juli, ach ja, richtig.«
Ich beschwor das Bild eines in Orange gekleideten Mönchs herauf, der in stoischer Gelassenheit ein güldenes Pendel vor meinem Auge hin- und herschwang.
» Ich möchte«, begann Nadine, und ich fragte mich sofort, ob eine Bitte, die sie ja allem Anschein nach zu stellen gedachte, wirklich mit » Ich möchte« anfangen sollte. » Ich möchte, dass ihr Sydney zu euch nehmt.«
Sydney?
» Die fette Katze?!«
Nur mit Mühe konnte ich meine Verwunderung verbergen. Die Katze? Nadine wollte die Katze an uns abdrücken?! Vergiss es!
» Vergiss es«, beendete ich kurzerhand den Dialog und reichte Konrad das Telefon zurück. Dann gestikulierte ich noch ein paar Scheibenwischer vor meinem Gesicht und verdrehte hingebungsvoll die Augen. Konrad sah mich flehentlich an. Ich zeigte ihm einen Vogel. Daraufhin klemmte Konrad sich das Handy wieder unters Ohr und verließ fluchtartig und leise ins Telefon zischelnd den Raum, wohl aus Angst, ich könnte ihn für Nadines absurden Plan zur Rechenschaft ziehen.
Ich soll Sydney, die Frucht von Konrads und Nadines gemeinsamer Liebe, bei mir aufnehmen? Nur über meine Leiche!
Neben dir
Montag, 7 . März, um 11 : 59 Uhr
Seit dem Telefonat mit Nadine ist Konrad komisch. Er redet nicht mehr viel, jedenfalls nicht mit mir, ist nachdenklich, in sich gekehrt und steht irgendwie neben sich. Heute Vormittag rief er mich– Überraschung!– mal wieder an und bat mich, seinen Geldbeutel zu suchen. Den habe er wohl irgendwo vergessen. Der letzte bekannte Aufenthaltsort des Geldbeutels sei die Küche.
Ich durchsuchte also gut fünfzehn Minuten lang wie eine Besessene mit einem zunehmend panisch werdenden Konrad am Ohr die gesamte Küche. Im Brotkasten wurde ich schließlich fündig.
Konrad fiel hörbar ein Stein vom Herzen, eine Erklärung für den Fundort konnte er mir allerdings nicht liefern.
Nun sitze ich hier, am Küchentisch, neben mir liegt friedlich der Geldbeutel, und ich frage mich, was mit Konrad los ist. Vielleicht wird er ja dement? Oder kriegt Alzheimer? Vielleicht sind das die Gene? Sein Vater scheint ja ordentlich neben seinem eigenen Leben herzuleben. Oder aber irgendwas ist passiert, wovon ich noch nichts weiß, was Konrad aber anständig zu schaffen macht? Kann tatsächlich die Katze für seinen massiven Stimmungsabfall verantwortlich sein? Oder bin ich es, weil ich mich weigere, die Tierrettung zu spielen? Es bleibt mir nichts anderes übrig: Ich muss recherchieren.
Geheimniskrämerei
Dienstag, 8 . März, um 22 : 42 Uhr
Es ist gar nicht so einfach, etwas aus seinem Freund herauszubekommen, wenn er sich felsenfest vorgenommen hat, nichts zu sagen. Heute Abend habe ich all mein detektivisches Geschick eingesetzt, um Konrad die Wahrheit zu entlocken. Konrad weigerte sich zunächst, mir und meinen neugierigen Fragen auf den Leim zu gehen.
» Ist alles okay bei dir?«, fragte ich beim Abendbrot. Leichte Einsteigerfrage. Niveau 1.
Konrad hörte an mir vorbei, stocherte lustlos in seinem Essen rum.
» Konrad?«
Konrad sah auf. » Ja? Was? Ja! Alles okay.« Und dann guckte er wieder ganz bedröppelt. Ich fing an, mir Sorgen zu machen.
» Bist du krank?«
Konrad blickte wieder hoch. » Ich? Krank? Nein.«
» Ist auf der Arbeit irgendwas passiert?«
Ich kriege das noch aus dir raus. Verlass dich drauf.
» Nö.«
Gut. Äh– was konnte ich noch fragen?
» Wie geht’s denn deinen Eltern?« Vielleicht war da ja irgendwas passiert. Wäre schade– um den Vater.
» Gut.«
Aha. So, mal sehen, also, Konrad selbst ist nicht krank, Arbeit alles prima, Eltern gesund, bleibt eigentlich nur noch– ah. Ja. Nadine. Oder die Katze.
» Bist du traurig, weil ich Sydney nicht hierhaben will?«
Zum ersten Mal blickte Konrad mir direkt in die Augen. Dann, langsam, mit einem deutlichen Zögern, schüttelte er den Kopf.
Is klar, Freundchen. Und ich bin der Kaiser von China. Lächerlich.
» Was ist denn dann bitte das Problem? Seit Tagen stehst du total neben dir.«
Konrad schluckte schwer. Dann legte er sehr vorsichtig die unbenutzte Gabel neben seinem Teller ab und faltete die Hände. War er etwa traurig, weil ich das Tischgebet vergessen hatte?
Er seufzte tief.
» Nadine…«, fing er an, und ich atmete gut hörbar und genervt aus. » Nadine hat nicht grundlos gefragt, ob wir Sydney aufnehmen können.« Konrad
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